Sündenkreis: Thriller (German Edition)
Würde er ihr die Zerknirschung abnehmen? »Haben Sie eine Pressemappe oder Material, das Sie mir mitgeben können?«
»Ich maile Ihnen alles.« Eilfertig klappte Torben Hoffmann sein MacBook wieder auf und tippte erneut. »Bei Unklarheiten scheuen Sie sich nicht, mich zu kontaktieren.«
Hatte er wirklich »scheuen Sie sich nicht« gesagt? Lara verbiss sich ein Lachen. Der Typ war völlig abgedreht. »Ach, könnten Sie mir vielleicht noch die Telefonnummern der anderen Models geben, die Carolin Fresnel kannten?«
Torben Hoffmann nickte. »Maile ich auch.«
Auf dem Weg nach draußen fiel Lara ein, dass sie vergessen hatte, ihn zu fragen, wer eigentlich die Scheinwerfer in der Show bedient hatte. Die Trage mit dem toten Model war von dem Gerüst heruntergelassen worden. Irgendjemand musste da oben gestanden und alles beobachtet haben.
11
»Vorsicht!« Obwohl niemand in der Nähe war, flüsterten die drei Kinder. Der größere der beiden Jungs hatte die Strickmütze tief ins Gesicht gezogen und den Schal mehrfach um den Hals gewickelt. Dampfschwaden entschwebten seinem Mund, während er den Strahl seiner Taschenlampe über den Boden schwenkte. »Da liegen überall Glassplitter rum.« Die anderen beiden nickten. Auch sie trugen Mütze, Schal und Handschuhe. Auf dem Fahrrad pfiff einem der Wind schon nach wenigen Minuten durch sämtliche Kleidungsschichten, und wenn man nicht warm genug angezogen war, fraß sich die Kälte schnell bis auf die Haut durch. Und so trugen Paul und Sebastian brav ihre Strickmützen und die dicken Schals, obwohl das sonst nur ihre Freundin Helene tat. Aber Helene würde sich nicht über sie lustig machen oder sie bei den anderen anschwärzen. Sie konnte glatt als Junge durchgehen. Sonst hätten sie das Mädchen wohl auch kaum auf ihre Entdeckertour mitgenommen.
Die drei waren froh, dass kaum Schnee lag, sonst wäre der Ausflug mit den Rädern nicht möglich gewesen. Und zum Laufen war es zu weit. Aber das verfallende Dorf faszinierte sie seit dem Sommer, als die letzten Bewohner umgesiedelt worden waren. Paul, Sebastian und Helene mochten das Abenteuer draußen. Die Karl-May-Bücher, die ihnen Pauls Vater zum Lesen gegeben hatte, hatten ihre Spuren hinterlassen. Und in den Winterferien den ganzen Tag zu Hause zu sitzen und Computerspiele zu spielen, wie andere Kinder aus ihrer Grundschule, das war nicht ihr Ding. Von Langenhain, wo sie wohnten, bis hierher waren es nur wenige Kilometer und deshalb waren sie heute hier, um in dem, was von dem Dorf Heuerswalde übrig geblieben war, Abenteuer zu erleben – worin auch immer diese bestehen mochten. Seit letztem Freitag hatten sie Winterferien und so ausreichend Zeit, die Abbruchhäuser zu erkunden.
In den nächsten Tagen, vielleicht schon morgen, würden die monströsen Schaufelradbagger ihren Abenteuerspielplatz dem Erdboden gleichmachen, sie würden wie eine Herde Sauropoden über das Dorf herfallen und es auffressen, um anschließend Braunkohle aus der Erde zu schaufeln. Zwar war es streng verboten, die Abrissgebiete zu betreten, und sie mussten sich vor den Kontrolleuren der Tagebaugesellschaft in Acht nehmen, aber gerade das machte es umso aufregender. Welches Kind ließ sich von den Ermahnungen der Erwachsenen schon abhalten, etwas Spannendes zu erleben? Sie fühlten sich wie Mescalero-Apachen, die von Feinden verfolgt wurden.
Einmal hatten sie es erst in letzter Sekunde geschafft, sich vor den Bauarbeitern, die in regelmäßigen Abständen alles kontrollierten, in einem baufälligen Schuppen zu verstecken. Dicht nebeneinander hatten sie durch die Spalten der Bretter gelinst, den mehligen Geruch des alten Holzes eingeatmet und gehofft, die Männer mit den lehmbeschmierten Hosen mögen vorbeigehen. Das war in den Herbstferien gewesen, als die Tage noch länger und nicht so kalt gewesen waren.
Jetzt hatten sie Februar, und dies hier mochte ihre letzte Gelegenheit sein, die Geheimnisse des todgeweihten Ortes herauszufinden. Sebastian, Paul und Helene hatten heute Nachmittag ein letztes Mal den alten Dorfladen und danach noch eins der Fachwerkhäuser erforscht, aber außer ein paar staubigen Flaschen, einem zerbrochenen Stuhl und feuchten Zeitungen nichts Aufregendes gefunden.
»Wie spät ist es eigentlich?« Sebastian, der Kleine, trat auf der Stelle und hielt sein Rad mit einer Hand fest, damit es nicht umkippte.
Paul schob den wattierten Ärmel nach hinten. »Halb sieben.«
»Mist. Meine Mutter macht einen Aufriss, wenn ich
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