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Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Titel: Sündenkreis: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Schritte vom Portal entfernt. Obwohl sie nur ein paar Sekunden hingeblickt hatte, brannte auf ihrer Netzhaut das scharfgezeichnete Nachbild des Körpers. Eine nackte Frau, festgebunden auf einer breiten Unterlage, die schräg an die rückwärtige Wand gelehnt war. Die Arme waren zu beiden Seiten waagerecht ausgestreckt, herablaufende Blutlinien bildeten ein schwarz wirkendes Zickzackmuster auf dem Untergrund. In ihrem Bauch klaffte ein großer kreuzförmiger Schnitt. Dazu das puderweiße Gesicht, eine zu einem unhörbaren Schrei geöffnete dunkle Mundhöhle, die Augen zwei schwarze Löcher unter dem dunklen Helm der Haare.
    Helene holte rasselnd Luft und besann sich, dass auch sie eine Taschenlampe besaß. Das leise Klicken holte sie ganz in die Wirklichkeit zurück. Jetzt nahm sie auch den Geruch wahr. Eine Mischung aus Räucherkerzchen und süßem Parfüm. Dazu kam noch etwas anderes, etwas Widerliches – Helene sog schnüffelnd die Luft ein –, etwas, das sie aus dem heimatlichen Schuppen kannte, wenn ihr Opa ein Kaninchen geschlachtet hatte – frisches Blut. Sie richtete ihre Taschenlampe nach vorn. Der Strahl zitterte über die Wand, an der einmal der dreiflügelige Altar gestanden hatte und Helenes kleine Hoffnung, die Frau mit dem erstarrten Schrei möge verschwunden sein, erlosch so schnell, wie sie aufgekeimt war. Die Tote war noch immer da vorn; wie eine bizarre Parodie auf den gekreuzigten Jesus lehnte sie an der Unterlage, die schwarzen Augenhöhlen direkt auf das kleine Mädchen gerichtet. Der gelbe Strahl flackerte, erlosch kurz, und Helene schüttelte die Batterien ihrer Taschenlampe zurecht und machte dann zwei zaghafte Schritte nach vorn, als sich der Mund der toten Frau noch etwas weiter öffnete, so als wolle sie etwas sagen; und noch ehe Helene erkennen konnte, dass sie einer Täuschung aufgesessen war, schrie sie schon. Sie schrie so laut und schrill, dass die wenigen Vögel, die es sich in den halb verfallenen Häusern ringsum gemütlich gemacht hatten, aufgeschreckt wurden und davonflatterten.
    »Helene!« Paul klang kurzatmig. »Bist du noch da drin?« Seine Stimme näherte sich, und Helene öffnete den Mund, um ihm zu antworten, aber es kam kein einziger Ton heraus.
    »Lass uns reingehn, Mann.« Das war Sebastian. Auch er hörte sich an wie ein verschrecktes kleines Tier. Schritte knirschten. Dann leuchtete ein Lichtstrahl herein, und Pauls furchtsame Stimme gesellte sich dazu. »Helene?«
    »Ja, ich bin hier.« Jetzt war die Stimme wieder da, aber sie krächzte. Die Jungs kamen herein, die Taschenlampen wie Waffen vor sich haltend.
    »Entschuldige, dass wir weggerannt sind.« Paul berührte vorsichtig den Rücken seiner Freundin.
    »Ist schon OK . Wir müssen die Polizei anrufen. Sebastian?« Der Angesprochene reagierte nicht, und Helene streckte den Arm aus und puffte ihn an der Schulter. »Gib mir dein Handy, los.«
    Sebastian begann, in den Taschen zu suchen. Sein schwerer Atem hallte von den Steinwänden wider.
    »Wir werden mächtig Ärger bekommen.« Paul versuchte, nicht nach vorn zu schauen.
    »Das dürfte jetzt unser geringstes Problem sein.« Helene hatte schon gewählt und presste sich das Mobiltelefon ans Ohr, während sie den Jungs winkte, ihr nach draußen zu folgen.

12
    »Lara? Hörst du mich? Ich habe neue Informationen.« Mark klang kurzatmig. Hinter ihr hupte es, und sie zuckte zusammen. Die Ampel hatte längst auf Grün geschaltet. Der Motor ihres Minis heulte auf, als sie das Gaspedal durchtrat. Die Telefoniererei nervte. Konnte Mark nicht einfach mal wieder einen Abstecher nach Leipzig machen?
    »Du bist wohl gerade unterwegs?« Wie hatte er das bloß herausgefunden? Lara biss sich auf die Unterlippe und verschluckte den scharfen Kommentar. Der Freund konnte nichts dafür, dass sie gereizt war. Heute früh war in der Redaktion die Hölle los gewesen. Hubert und Gert hatten kurz nacheinander angerufen und sich krankgemeldet, und Tom hatte eine halbe Stunde lang Aufträge neu verteilt. Und jetzt saß sie hier in ihrem Auto im dicksten Vormittagsverkehr und musste zu einer Rassegeflügelschau nach Markkleeberg. Herausgeputzte Hühner in zu kleinen Käfigen! Einen Fotografen hatte sie auch nicht. Lara schnaufte.
    »Soll ich dich später noch einmal anrufen?« Mark schien die hektischen Schwingungen wahrgenommen zu haben.
    »Nein, es ist schon in Ordnung. Ich muss zu einer Vogelausstellung, weil Hubert die Grippe hat, und das nervt mich. Was hast du denn für

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