Sündenkreis: Thriller (German Edition)
bevorzugte, seinen Wohlstand jedem zu zeigen, der etwas davon verstand.
Robert Wessel grinste noch etwas breiter und streckte den Arm aus. Zwei behandschuhte Rechte berührten einander. Dann absolvierte der Kunde eine Vierteldrehung und zeigte auf das Haus neben ihnen. »Können wir hineingehen? Ich würde gern das Innere sehen, ehe es ganz dunkel wird.«
»Aber gern.« Robert zog die Schlüssel hervor, die er in der Jackentasche hatte. »Das Exposé kennen Sie ja schon, aber es ist immer noch etwas anderes, wenn man alles in natura sieht. Zur Not habe ich auch eine Taschenlampe dabei.« Doktor Randerath nickte knapp und stieg die vier Treppenstufen zu dem doppelflügeligen Portal hinauf. Er schien es eilig zu haben. Aber vielleicht wollte er auch nur dem zunehmend schärfer werdenden Wind entkommen.
»Das Haus ist Baujahr 1860. Komplett Gründerzeit.« Der Schlüssel knirschte und drehte sich dann unwillig im Schloss. »Sie werden gleich den wunderbar erhaltenen Stuck und die Schnitzereien im Treppenhaus bewundern können. Die Dekorationsformen lehnen sich an historische Stilformen an.« Der Doktor folgte schweigend. Robert hielt ihm die Eingangstür auf und schaltete die Taschenlampe ein. »Bitte gehen Sie nach oben. Wir schauen uns zuerst die oberen Stockwerke an.« Er durfte nicht so viel plappern. Manche Klienten mochten das nicht. Mit dem hier – Robert betrachtete das fein genarbte Lammleder der Jacke im gelben Lichtkegel und korrigierte seine Schätzung auf tausendfünfhundert Euro – durfte er es sich nicht verderben. Wenn alles gut lief, würde der Mann vielleicht Lust bekommen, in weitere Immobilien zu investieren. Leise seufzend schloss sich die schwere Holztür und hüllte die Männer in Dunkelheit. Robert richtete den Lichtstrahl auf den Eingang.
»Ich würde gern zuerst das Erdgeschoss sehen.« Den Fuß auf der ersten Stufe, drehte sich der Doktor um. Im schmalen Schein der Lampe wirkten seine Gesichtszüge hart.
»Wie Sie möchten. Dann gehen wir zuerst in die rechte Wohnung. Bitte bedenken Sie, dass die letzten Mieter hier erst vor wenigen Monaten ausgezogen sind und dass danach nichts mehr an den Räumen verändert wurde. In der DDR hat man sich ja generell nicht um diese wunderbaren Bauten gekümmert. Alles war dem Verfall preisgegeben.« Du redest schon wieder wie ein Wasserfall. Robert stieß die rechte Wohnungstür auf und steckte den Schlüssel zurück in die Jackentasche. Er hatte aber bisher auch selten solch einen wortkargen Kunden erlebt. Die meisten ließen sich gern über die Vorzüge der Objekte aufklären und waren erfreut, zu hören, dass sie ihr Geld sicher investierten. Robert Wessel fühlte sich als guter Anlageberater. Noch ein paar Jährchen und er hatte seine Schäfchen im Trockenen. Er drehte sich kurz zu dem Doktor um. Der hatte seinen Aktenkoffer geöffnet und suchte darin herum. Wahrscheinlich ebenfalls nach einer Taschenlampe. Manche Kunden schossen auch eigene Fotos, obwohl die Exposés von Immoconcept immer sehr ausführlich bebildert waren. Robert öffnete eine Flügeltür. »Der Flur hat ganz schön gelitten, aber schauen Sie mal ins Wohnzimmer. Ein echt Meißner Kachelofen und Original Eichenparkett. Es ist in einem Flechtmuster mit Würfeln in der Mitte verlegt. Toll, was?« Er ließ die Taschenlampe über den Boden schweifen und machte zwei Schritte in den Raum hinein.
Hinter ihm raschelte es, dann explodierte ein Feuerwerk in seinem Gehirn. Die Taschenlampe fiel ihm aus der Hand und rollte klackend über die Fugen im Parkett. Doch das hörte Robert Wessel nicht mehr.
14
Auf Laras Monitor erschien ein Bild der Kirche von Heuerswalde. Im tiefstehenden Licht der Wintersonne wirkte das Gebäude freundlich und stolz. Wären nicht die rot-weißen Absperrbänder ringsherum gewesen, hätte man das Foto für eine elegische Bestandsaufnahme der Vergänglichkeit des Lebens halten können. Sie überflog den dazugehörigen Artikel und klickte dann auf den nächsten Link. Über hundert Treffer hatte die Suchmaschine zu »Leiche+Heuerswalde« ausgespuckt, die meisten wiederholten jedoch lediglich den dürren Wortlaut der dpa -Meldung. Elsa Breitmann war noch nicht wieder in der Redaktion aufgetaucht. Aber selbst wenn sie bis zum Redaktionsschluss bleiben musste, Lara würde ausharren, um die Kollegin nach Strich und Faden auszuhorchen. Auch wenn Tom »vergessen« hatte, sie über den Fall zu informieren, Gerichtsberichte, Mordfälle, Verbrechen waren das Ressort von Lara
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