Sündenkreis: Thriller (German Edition)
Birkenfeld. Mochte die freie Mitarbeiterin einen ersten Artikel über den Leichenfund schreiben, der Rest war Laras Sache.
Kalte Luft strich über ihre Arme, und sie blickte auf. Die Eingangstür zu den Redaktionsräumen bewegte sich leicht im Luftzug. Irgendjemand musste sie offengelassen haben. Lara erhob sich. Sie musste jetzt aufhören, über die nackte Frauenleiche in der Heuerswalder Kirche nachzudenken. Der Artikel über die Geflügelschau war noch nicht geschrieben und zwei weitere Texte auch nicht. Dazu kamen der Berg E-Mails und die Vorbereitungen für die kommenden Tage. Allerhand Arbeit für die verbleibenden zwei Stunden. Aber vorher würde sie noch einmal versuchen, Mark anzurufen und dann einen Gesprächstermin mit diesem Sektenbeauftragten vereinbaren. Lara warf sich die Jacke über die Schultern, steckte Handy und Terminplaner ein und machte sich auf den Weg nach unten. Ein bisschen Bewegung würde das Adrenalin, das der Zorn in ihre Blutbahn geschleudert hatte, abbauen.
Lara gab der Eingangstür einen Tritt, und diese schwang nach innen. Markus Lehmann stand hinter ihrem Schreibtischstuhl und musterte den Bildschirm. Sein Gesichtsausdruck wechselte in Sekundenbruchteilen von erschrocken zu schuldbewusst und fror dann bei »Ich habe nichts Verbotenes getan« ein.
»Ich habe Ihnen die Post hier hingelegt.« Er zeigte auf die Ablage auf ihrem Schreibtisch und entfernte sich schnell in Richtung Küche. Kopfschüttelnd nahm Lara Platz, klappte ihr Notizbuch auf und notierte sich den vereinbarten Besuch bei Herrn Reinmann für Mittwochnachmittag. Tom hatte die naiven Blondchen gegen einen Spion eingetauscht. Vom Regen in die Traufe.
Hastig warf sie ein paar Stichpunkte aus dem Telefonat mit Mark aufs Papier. Die Leiche von Carolin Fresnel war zwischenzeitlich eingefroren gewesen. Wie lange, hatten die Rechtsmediziner nicht genau eingrenzen können. Mark hatte ihr erklärt, dass abhängig von der Temperatur Stunden bis Tage vergehen konnten, ehe ein kompletter Körper durchfror. Zum Zeitpunkt des Auffindens, also zur Modenschau, waren die inneren Organe bereits wieder vollständig aufgetaut gewesen.
»Das heißt, der Täter muss sie nicht nur einige Tage lebend in seiner Gewalt gehabt haben, sondern er hat die Leiche dann tiefgefrostet und aufbewahrt, bis er sie brauchte. Das ist ja gruselig.« Lara hörte sich selbst flüstern und sah sich hastig um, ob jemand ihr Selbstgespräch gehört hatte, sah aber niemanden. Ein einfacher Gefrierschrank würde für so etwas nicht reichen, man brauchte schon eine große Truhe. Und es musste sicher sein, dass niemand anders zufällig hineinschaute. Mark hatte ihr auch versprochen, seine Kontakte zu nutzen, um sich über die Leiche in der Heuerswalder Kirche zu erkundigen.
Sie klappte das Notizbuch zu und beschloss, sich heute Abend hinzusetzen und alles zu ordnen. Das Ganze wurde allmählich unübersichtlich. Dann griff sie zum Telefon und wählte die Nummer der Pressestelle der Kripo. Den Namen des Beamten, der sich nach langem Warten meldete, hatte sie noch nie gehört. Wechselten die ihre Leute monatlich aus? Vor den Fensterscheiben tanzten kleine Flöckchen einen Reigen, während ihr der Mann in barschem Ton erklärte, dass sie im Fall der Frauenleiche in Heuerswalde aus ermittlungstaktischen Gründen keine Informationen herausgeben könnten. Zudem müsse man die Obduktionsergebnisse abwarten. Eine Pressekonferenz sei für Donnerstagnachmittag geplant. Unsanft landete Laras Hörer in der Halterung. Sie schnaubte. Ermittlungstaktische Gründe! Immer die gleichen Floskeln! Und wo blieb eigentlich Elsa Breitmann?
Als hätten ihre Gedanken sie herbeigezaubert, öffnete sich die Tür und die Kollegin stapfte, einen meterlangen Schal vom Hals abwickelnd, herein. »Das ist vielleicht ein Sauwetter da draußen!« Sie steckte die Handschuhe in die Manteltaschen und kam zu Lara. »Wo sind denn die anderen alle?«
»Dass Hubert und Gert krank sind, weißt du ja sicher.« Elsa Breitmann nickte. »Tja, Christin ist zu einem Interview, Friedrich sortiert, glaube ich, nebenan Akten. Bert Anders kommt erst morgen von einer Dienstreise. Jo fotografiert irgendwo.« Lara überlegte kurz, wen sie vergessen hatte, und setzte hinzu: »Markus Lehmann muss hier sein. Wahrscheinlich steckt er in der Küche.« Sie grinste verschwörerisch, und Elsa lachte gackernd.
»Wo warst du denn heute?« Sollte die Kollegin ruhig glauben, Lara wisse noch nichts von dem erneuten Leichenfund,
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