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Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Titel: Sündenkreis: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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legte den aufgenommenen Telefonhörer wieder zurück. »Sollte das nicht diese Woche dem Abrissbagger zum Opfer fallen?«
    »Kann sein. Drei Kinder haben da gestern Abend in einer Kirche eine tote Frau entdeckt. Sie soll wie bei einer Beerdigung aufgebahrt gewesen sein. Das kam doch heute früh über den Ticker. Hast du das nicht gelesen?«
    »Nein. Ich musste gleich nach der Besprechung zu dieser Geflügelaustellung. Es geht ja alles drunter und drüber, weil Hubert und Gert krank sind.«
    »Tom hat Elsa Breitmann hingeschickt.«
    »Elsa Breitmann? Eine von den Freien?« Lara hörte ihre eigene Stimme wie die einer Fremden, hoch und schrill. Der Redaktionsleiter überließ die Berichterstattung über eine Leiche ganz in der Nähe von Leipzig einer freien Mitarbeiterin, und sie schickte er zu einer verfluchten Vogel-Freakshow?
    »Jemand anderes war wohl grad nicht verfügbar.« Friedrich zuckte die Schultern und schlurfte zu seinem Schreibtisch. Lara zwinkerte heftig. Ihre Finger hackten auf die Tasten ein. Säure brannte Löcher in ihre Magenwände, als sie die Schlagzeilen las.
    Tote Frau in Abrissdorf gefunden …
    nackte Leiche …
    aufgebahrt …
    gekreuzigt …

13
    Die Lupe senkte sich über die Reproduktion. Der Mann ließ das Vergrößerungsglas über den linken oberen Teil des Bildes gleiten und betrachtete die Einzelheiten der Szene, die im Laufe der nächsten Tage von Bedeutung sein würde.
    Auf einer hölzernen Bank im Freien saß ein Landvogt. Knotenstab und Kopfbedeckung wiesen ihn als Richter aus. Sein nach vorn geneigter Oberkörper und der nach rechts gedrehte Kopf zeigten, dass er einem vor der Bank stehenden Advokaten, der einen Geldbeutel in der Rechten trug, Gehör schenkte. Der linke Arm des Richters war nach hinten ausgestreckt, und während er dem Advokaten zuhörte, nahm er heimlich eine Münze von einem Bauern entgegen. Das baufällige Haus im Hintergrund und die beiden vornehm gekleideten Männer mit der Urkunde im linken Bildbereich sagten dem Betrachter, dass es hier um einen habgierigen Richter, einen Hausverkauf und Bestechung ging. Auch der Baum in der Mitte vertiefte die Botschaft. Es war das Zerrbild einer Gerichtslinde, ein riesiges Loch, aus dem Vogelkot herablief, verunzierte den Stamm.
    Am liebsten hätte der Mann den Bildausschnitt mitgenommen, um ihn dem nächsten Repräsentanten vor die Nase zu halten und ihn im Anschluss zu fragen, was er davon halte, aber dazu hätte er die Reproduktion zerschneiden müssen, und das war es nun wirklich nicht wert. Wahrscheinlich begriff der geldgeile Narr die Komplexität der Darstellung sowieso nicht.
    *
    Wirbelnde Flocken tanzten durch die Luft. Robert Wessel trat ans Fenster seines Büros und schaute über die Straße zum Parkplatz. Wie eine Herde gestrandeter Albinowale ruhten die Autos der Mitarbeiter unter einer weißen Decke. Er konnte seinen Audi nur aufgrund der Form erahnen, und weil er natürlich wusste, dass es das dritte Auto von links war. Ganz hinten, dort wo eine mächtige Platane ihre blatternarbigen Äste mahnend in den grauen Himmel streckte, stand ein Wagen, dessen Dach noch nicht weiß übertüncht war. Auf dem schwarzen Lack glänzten zerfließende Tröpfchen, unter dem Kofferraum hervor wallten feine Wölkchen aus dem Auspuff. Von schräg oben konnte er nicht genau erkennen, was es für ein Wagentyp war. Auf jeden Fall ein größeres Auto, ein Passat oder Mondeo vielleicht. Auf dem Weg zu seinem Schreibtisch nahm Robert Wessel sich vor, zehn Minuten eher aufzubrechen, um seinen Audi in aller Ruhe gründlich vom Schnee befreien zu können.
    Der Drucker begann zu summen und spuckte dann ein Blatt nach dem anderen aus. Als alles in einer grauglänzenden Präsentationsmappe verstaut war, schaltete der junge Mann seinen Computer ab, legte der Sekretärin, die gerade telefonierte, einen Zettel mit seinem Aufenthaltsort auf den Tisch und machte sich auf den Weg nach unten.
    Frische Reifenspuren hatten sich auf dem Parkplatz in den Schnee gefräst. Das Auto unter der Platane war verschwunden. Robert Wessel nahm einen Handfeger aus dem Kofferraum und begann, sein Auto mit gleichmäßigen Bürstenstrichen abzukehren. Er mochte den Winter, er mochte es, wenn alles von einer klinisch weißen Hülle zugedeckt wurde, wenn der Schnee das Rumpeln vorbeifahrender Autos zu einem leisen Rauschen dämpfte. Während er systematisch den Arm von links nach rechts bewegte und den herabfallenden Minilawinen zusah, dachte Robert Wessel über

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