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Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Titel: Sündenkreis: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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hatte den unhörbaren Ruf vernommen. Nur wenige von ihnen hatte er vorher flüchtig kennengelernt, einige, wie das hochmütige Model, waren ihm durch mediale Berichterstattung aufgefallen, auf andere war er durch Recherchen aufmerksam geworden.
    Aufgereiht standen all die Namen untereinander, warteten ihre Inhaber darauf, Buße zu tun. Bis auf die ersten drei. Hinter den Buchstaben war ein schwarzes Kreuz eingezeichnet. Ein Symbol dafür, dass sie ihre gerechte Strafe bereits bekommen hatten.
    Der Mann hob das Kinn. Das milde Lächeln verschwand. Er tippte mit dem Zeigefinger auf die Zeilen und sprach die Namen leise vor sich hin, wobei er die jeweiligen Frevler vor seinem inneren Auge sah. Acedia stand als Nächstes auf dem Plan, und es kamen mehrere Kandidaten infrage.
    In der als accidia benannten Szene von Hieronymus Bosch, die acedia illustrierte, schlief ein bürgerlich gekleideter Mann am helllichten Tag vor einem offenen Kamin, bequem in einen Stuhl gelehnt, vor ihm ein ebenfalls schlafender Hund. Der Mann war nicht einfach so eingeschlafen, das Kissen unter seinem Kopf bewies, dass er es sich gemütlich gemacht hatte. Das geschlossene Gebetbuch auf der Bank hinter ihm zeigte dem Betrachter, dass er Gott vernachlässigte. Die wie eine Nonne gekleidete Frau, die sich dem Schlafenden von links näherte und ihm dabei ein Buch und einen Rosenkranz hinhielt, schien ihn auf den ersten Blick mahnen zu wollen. Der Krug mit den zwei Spindeln neben einer Haspel in einer Nische war jedoch eine Metapher auf vernachlässigte Hausfrauenpflichten.
    Der Mann richtete seinen Blick wieder auf die Namensliste. Entscheidend für sein Werk war nicht, wer die meisten Delikte begangen hatte, sondern welche Aufmerksamkeit der Sünder in der Öffentlichkeit erregen würde. Er wollte, dass man sein Werk ernst nahm, dass alle den Ruf hörten und verstanden. Gut, verstehen würden sie ihn wahrscheinlich erst zum Schluss, aber das war gewollt. Deckte er sein Vorhaben zu zeitig auf, käme man ihm womöglich auf die Schliche, bevor er es vollendet hatte. Deshalb musste er darauf verzichten, allzu offensichtlich zu argumentieren.
    Seine bevorzugten »Acedianer« waren alle weiblich. Vielleicht lag diese Art von Sünde in der Natur der Frau, vielleicht war es ein Zufall. Es war nicht von Belang.
    Auf wen würde das Publikum eher starren? Auf die Mitarbeiterin des Jugendamtes, die träge und behäbig in ihrem Büro saß und Fälle nach »Aktenlage« entschied? Auf die Lehrerin, die sich dem Rentenalter näherte und seit Jahren immer den gleichen, schlechten Unterricht hielt, weil sie zu faul war, sich weiterzubilden? Auf die Verkäuferin, die gelangweilt und unwillig Kunden bediente? Der Mann schloss die Augen und stellte sich die Anwärterinnen in ihrer jeweiligen Auffindesituation vor. Bei wem würden die Medien am ehesten aufschreien? Nach wenigen Sekunden wusste er, wen er wählen würde. Mit einem Summen begann er, seinen Schreibtisch aufzuräumen.

23
    Leipzig/A9
    Ein schwerer Verkehrsunfall hat sich in der Nacht zum Montag auf der A9 zwischen den Anschlussstellen Bad Dürrenberg und Leipzig West ereignet. Der Fahrer eines Sattelzuges war in Richtung Schkeuditzer Kreuz unterwegs, als sein Lastwagen auf glatter Fahrbahn ins Schleudern geriet und gegen die Mittelleitplanke prallte. Dabei riss das Gefährt eine Mautbrücke um. Teile davon landeten auch auf der Gegenfahrbahn.
    Durch den Aufprall riss sich der Auflieger des Lastwagens los und rutschte auf der Fahrbahn etwa 100 Meter weiter. Glücklicherweise traf das drei Tonnen schwere Teil kein anderes Fahrzeug.
    Auf der Gegenfahrbahn fuhr infolgedessen ein Sattelzug auf einen anderen Lkw und stellte sich quer. Die Leipziger Feuerwehr musste die zerstörte Mautbrücke mit schwerem Gerät von der Fahrbahn ziehen. Aus dem verunglückten Lastwagen liefen etwa 500 Liter Diesel aus. Die Fahrbahn Richtung Berlin war für mehrere Stunden blockiert. Es bildeten sich lange Staus in beide Richtungen.
    Lara speicherte den Artikel, lud die dazugehörigen Fotos hoch, stellte ihn ins Online-Portal und sah sich um. Ihr Nacken schmerzte. Drei Telefone klingelten gleichzeitig, im Hintergrund hörte sie Friedrich etwas in den Hörer schnarren, das Faxgerät spuckte unentwegt Papier aus, der Drucker summte, und hinter ihrer Stirn hämmerten winzige Bergleute. Montagvormittag war in der Redaktion immer die Hölle los. Die Redaktionskonferenz hatte sie mit versteinertem Gesicht über sich ergehen lassen. Elsa

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