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Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Titel: Sündenkreis: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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trotzdem, wie er aussah, ein langer schlaksiger Bursche mit Aknenarben und einer viel zu großen Nase. Wahrscheinlich hatte man ihn deswegen seit seiner Kindheit gehänselt.
    »… verwickelte er den 58-Jährigen nach dem Unterricht in ein Gespräch und brachte ihn dazu, mit ihm durch ein abseits liegendes Treppenhaus zu gehen. Dort stach er mit dem Kampfmesser mehrfach auf sein Opfer ein. Der Lehrer erlag noch am Tatort seinen Verletzungen. Nach der Tat zog der Angeklagte durch das Schulgebäude, zündete Feuerwerkskörper an, schoss mit einer Schreckschusswaffe auf den Schulleiter und bedrohte mehrere andere Lehrer. Er hatte den Plan, dass es nicht bei einem Opfer bleiben sollte …«
    Ein Pressezeichner vorn links skizzierte die Szenerie. Er sah von der Seite ein bisschen aus wie Mark. Lara dachte an das gestrige Frühstück mit Jo. Am Morgen hatte er getan, als wäre alles ganz normal, und sie hatte das Spiel mitgespielt. Den Gedanken, er könnte sie im Parkhaus vorbeifahren, damit sie so tun konnte, als wäre sie mit ihrem eigenen Auto gekommen, hatte Lara schnell wieder verworfen. Falls Tom sie erneut aus Jos Auto aussteigen sah – na wenn schon. Sie konnte kommen und gehen, mit wem sie wollte. Ihr Privatleben ging Tom einen feuchten Kehricht an. Sie war an ihren Platz gestürmt und hatte sich an die Arbeit gemacht, während Jo wortlos im Nebenraum verschwunden war, um sich die Aufnahmen von der Leiche in der Bankfiliale noch einmal vorzunehmen. Einige der Fotos hatte er gleich gestern noch an zwei Agenturen verkauft.
    »… plädiert die Staatsanwaltschaft auf Mord aus niedrigen Beweggründen.« Der Staatsanwalt war fertig und sah sich triumphierend im Gerichtssaal um, ehe er Platz nahm. Lara schob die Erinnerungen beiseite. Jetzt würde die Verteidigerin Stellung zur Anklage nehmen, und sie musste sich konzentrieren, auch wenn sie sich vorstellen konnte, was diese sagen würde.
    »Hallo? Hört mich jemand?« Dumpfes Poltern. »Hilfe! Hiiilfe!« Das verzerrte Gesicht einer Frau tauchte aus dem Nebel auf, ihr Mund war weit aufgerissen, die Augen zusammengekniffen. Sie lag auf dem Rücken, hatte die Beine angewinkelt und stieß die Füße rhythmisch gegen eine Wand, wobei sie immer wieder um Hilfe schrie. Nach einer Weile erlahmte das Trommeln, die Frau öffnete die Augen wieder, drehte sich auf den Bauch und versuchte, in eine sitzende Position zu gelangen. Ihre Hände, die die ganze Zeit hinter dem Rücken verborgen gewesen waren, waren an den Handgelenken gefesselt. Sie hatte ein kleines rundes Pfannkuchengesicht, die Bäckchen hingen leicht nach unten, die Mundwinkel auch. Jetzt versuchte sie aufzustehen, fiel aber gleich wieder hin.
    »… sieht die Verteidigung die Mordmerkmale Heimtücke und niedere Beweggründe nicht als erwiesen an … plädieren wir auf eine Verurteilung wegen Totschlags.« Die Verteidigerin sah sich im Gerichtssaal um, strich ihren schwarzen Rock glatt und setzte sich neben den Angeklagten.
    »Was ist denn hier los?« Die gefesselte Frau, die noch immer wie ein dicker Käfer auf dem Bauch lag, sah hoch. Ihre Augen weiteten sich. Dann kreischte sie ein heftiges »Nein!« heraus.
    »Schreien ist sinnlos.« Die Männerstimme aus dem Hintergrund näherte sich. Ein Rücken in einer olivgrünen Jacke kam ins Bild. In der Hand hatte der Mann einen altertümlichen Arztkoffer aus braunem Leder. Die Augen der Frau funkelten wütend und sie setzte zu einem neuen Aufschrei an, als sich der Besucher nach vorn beugte und seine Rechte in ihr Gesicht fuhr. Sofort schloss sich ihr Mund mit einem empörten Schnappen, während auf der Wange ein roter Fleck aufblühte.
    »Du kannst es leicht oder schwer haben. Das hängt ganz von dir ab. Überleg es dir, aber hör auf, zu kreischen. Das nervt mich nämlich.« Die Frau starrte mit versteinertem Gesichtsausdruck auf ihren Besucher, der jetzt den Arztkoffer neben ihr auf den Boden stellte und öffnete. »Was ist dir lieber?« Noch immer keine Regung. »Nun gut. Vielleicht sollte ich dir noch etwas Bedenkzeit geben. Währenddessen können wir deine Verfehlungen besprechen.« Der Mann richtete sich auf. Sein Körper begann in Zeitlupe, sich zu drehen, die Schulter schwenkte herum, eine Nase kam ins Bild. Gleich würde sein Gesicht zu sehen sein, gleich …
    »Nein, wartet noch … Mist!« Lara hielt sich die Hand vor den Mund und sah sich um. Die Leute im Saal hatten sich von ihren Plätzen erhoben, ordneten ihre Sachen, verstauten Papiere in Aktentaschen,

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