Sündenkreis: Thriller (German Edition)
jünger.
Romain Holländer kam schnell näher. Im gleichen Moment, in dem er den Arm zur Begrüßung ausstreckte, ließ er sein breites Lächeln erstrahlen. Lara schüttelte die warme Hand und erwiderte das Lächeln.
»Sie haben noch Fragen?« Der Sektenführer drehte sich von Jo weg wieder zu Lara und fixierte sie. Das gelbe Glühlampenlicht verstärkte das Blau seiner Iris zu einem magischen Violett.
»Eigentlich sind wir gekommen, um ein paar Fotos zu machen, die die Reportage dann illustrieren werden. Wir waren gerade in der Nähe und …«
»Und Sie halten es für günstig, wenn es dabei schon dunkel ist?«
»Das Tageslicht spielt im Winter in Innenräumen eine eher untergeordnete Rolle. Wir können das Ganze mit den vorhandenen Lampen gut ausleuchten, und mein Blitz ist auch sehr lichtstark. Außerdem wirkt es abends natürlicher und wärmer.« Jo hatte während des Redens auf seine Kameratasche gezeigt. Lara wusste, dass das, was sie vorher als Begründung für den abendlichen Besuch ausgemacht hatten, aus Fotografensicht Quatsch war, aber etwas Besseres war ihnen auf die Schnelle nicht eingefallen, und nun hoffte sie, dass Holländer ihnen die Erklärung abnehmen würde.
»Nun gut. Wenn Sie schon einmal hier sind. In einer halben Stunde haben wir die Abendspeisung. Bis dahin können Sie bleiben, dann muss ich Sie bitten, zu gehen. Ihre Jacken können Sie solange hierlassen.« Eine wischende Handbewegung zu der Holzbank, auf der sie eben noch gesessen hatten. Heute gab es keinen Tee. »Was wollen Sie denn fotografieren?«
»Räume, die repräsentativ für Sie sind, die etwas über Ihre Ziele und die Kinder des Himmels selbst aussagen. Räume, die dem Leser ein Bild Ihrer Gemeinschaft vermitteln.«
»Verstehe.« Romain Holländer schien kurz nachzudenken, dann sah er Lara erneut in die Augen. Sie hatte das Gefühl, er schaue durch ihre Schädelknochen direkt auf ihre Gedanken, und bemühte sich, seinem Blick standzuhalten.
»Dann nehmen wir zuerst den Gebetsraum.« Er drehte sich auf dem Absatz um und ging in Richtung Treppe. Lara fing Jos Blick auf, zog den rechten Mundwinkel nach oben und sah sofort zu Boden. Ihre Schuhe hatten vier kleine Pfützen hinterlassen, in denen sich das Licht der mächtigen Deckenlampe spiegelte. Aus einer angelehnten Tür drang Stimmengewirr heraus.
Im ersten Stock war es still. Lara dachte an den jungen Mann, der bei ihrem Besuch am Montag aus einem der Zimmer gekommen war. Romain Holländer hatte ihr gesagt, nach der Abendspeisung könne sie sich mit den Gemeindemitgliedern unterhalten, aber keiner von ihnen hatte ein einziges Wort mit ihr gewechselt. Wahrscheinlich verhinderte die Anwesenheit des Sektenführers, dass sie sich öffneten. Du musst versuchen, sie allein zu erwischen. Romain Holländer öffnete wie beim letzten Mal nur die rechte Hälfte der Tür und wies Jo an, den Raum nicht zu betreten, sondern seine Fotos von hier aus zu schießen. Lara hörte nur mit halbem Ohr zu. Ihre Gedanken kreisten um drei tote Menschen.
Jo tat sein Bestes, ließ den Sektenführer die Deckenbeleuchtung anschalten, schwärmte gleichzeitig von den Motiven auf dem Buntglasfenster und knipste dabei, was das Zeug hielt.
Schließlich sah Lara, die im Gang stehen geblieben war, wie er den Rücken streckte und einen Schritt nach hinten trat, wobei er beteuerte, wie wunderbar schlicht dieser Gebetsraum doch sei. Sie verkniff sich ein Grienen. Trag nicht zu dick auf, mein Freund.
»Ich wüsste zu gern, wie es wirkt, wenn die Sonne durch dieses Fenster dahinten scheint. Das muss doch ein prächtiges Farbenspiel ergeben.«
»So ist es.« Romain Holländer schloss die Tür.
»Sehen Sie eine Möglichkeit, dass ich das auch auf Film bannen kann?«
»Sagten Sie nicht vorhin, das Kunstlicht reiche ihnen völlig aus?« Romain Holländer war stehen geblieben.
»Da wusste ich ja noch nicht, was mich hier erwartet.« Natürlich hatte er es gewusst. Lara hatte Jo auf der Fahrt hierher alles erzählt. Sie kratzte sich an der Wange, dann sprang sie ihm bei. »Wir könnten am Wochenende noch einmal wiederkommen. Ich würde auch gern noch mit einigen Ihrer Gemeindemitglieder sprechen. Leider war das ja am Montag nicht möglich. Sagten Sie nicht, an den Wochenenden sind alle im Haus?«
»Das stimmt. Allerdings sind die Sonnabende und Sonntage so mit gemeinsamen Andachten und Gesprächsrunden gefüllt, dass ich fürchte, dass die Gefährten kaum Zeit für eine Reporterin haben werden.«
»Aber
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