Sündenkreis: Thriller (German Edition)
wir haben eine Chance, diese Frau zu retten?«
»Ich bin ja eigentlich kein Pessimist. Aber ich fürchte, die Wahrscheinlichkeit dafür geht gegen null.« Jo sah noch einmal auf das oberste Blatt. »Der Täter muss die bisherigen drei Opfer ein paar Tage lang in irgendeinem Gebäude in seiner Gewalt gehabt haben. Ich denke, das ist gleichzeitig auch der Tatort. Dieser Aufenthaltsort ist jedoch leider unbekannt.«
»Er muss dort völlig ungestört zu Werke gehen können.«
»Wir drehen uns im Kreis. Ich kann gar nicht mehr klar denken. Schade, dass Mark nicht da ist.« Jo faltete die Blätter und legte sie auf den Rücksitz. »Weißt du was? Wir könnten noch einmal zu diesem Romain Holländer von den Kindern des Himmels fahren. Die wohnen doch alle dort. Da ist mit Sicherheit jemand da.«
»Jetzt?«
»Warum nicht? Es ist noch nicht mal achtzehn Uhr. Zu zweit können wir uns viel besser umsehen. Vielleicht komme ich irgendwie in den Keller dieser Riesenvilla. In den oberen Etagen warst du ja schon. Da unten müssen doch unheimlich viele Räume sein!« Jos Augen leuchteten.
»Ob es gut ist, wenn wir unangekündigt dort aufkreuzen? Den Sonnabend fände ich besser, weil wir da die Chance haben, alle Mitglieder anzutreffen. An den Wochenenden finden laut Holländer immer irgendwelche Andachten statt.«
»Am Wochenende können wir ja extra noch einmal hinfahren. Ich möchte das Haus gern von innen sehen, und das, was du mir von diesem Holländer erzählt hast, klingt auch ziemlich spannend.«
»Na gut. Versuchen wir es.« Er hatte sie mit seinem Enthusiasmus angesteckt. Lara schnallte sich an. »Hast du deine Fotoausrüstung dabei?«
»Immer! Lass uns während der Fahrt dahin eine Strategie festlegen.« Jo trat aufs Gas, und die Reifen drehten auf dem glatten Untergrund kurz durch.
»Ja bitte?« Es war die gleiche verärgert klingende Frauenstimme wie beim letzten Mal. Lara sah Jo an und beugte sich dann nach vorn.
»Guten Abend. Ich bin Lara Birkenfeld. Die Journalistin von der Tagespresse .« Sie wartete einen Augenblick und fuhr, als keine Antwort kam, fort. »Ich war am Montag schon einmal hier und hatte mit Herrn Holländer vereinbart, dass ich noch einmal mit einem Fotografen wiederkomme. Es geht um die Reportage.« Lara atmete ein weißes Wölkchen aus.
»Haben Sie einen Termin?«
»Nein. Wir waren gerade in der Nähe und dachten, wir schauen einfach mal vorbei.«
Warten Sie.« Es knackte, dann war Stille.
»Bin gespannt, ob sie uns das abnehmen«, flüsterte Jo und trat von einem Bein auf das andere. Die Fotoausrüstung schaukelte von links nach rechts.
»Sie muss wahrscheinlich erst nachfragen.« Lara schaute mit eingefrorenem Lächeln in das Kameraauge der Videoüberwachung. »Wenn sie uns heute nicht reinlassen, versuche ich, einen Termin für das Wochenende zu vereinbaren.« Die Kälte kroch mit Spinnenfingern unter ihre Hosenaufschläge und kribbelte die Beine nach oben. Jo knipste durch das schmiedeeiserne Gitter hindurch ein paar Fotos vom Park. Der Zoom seiner Kamera surrte, als er die hinter den Sträuchern und Bäumen verborgene Villa näher heranholte. »Alle Fenster sind mit Vorhängen verschlossen.« Er ließ den Fotoapparat sinken und schraubte die Abdeckung wieder auf die Linse. »Nichts zu erkennen.«
Ein Knacken aus der Wechselsprechanlage kündigte an, dass die Torwächterin zurück war. »Frau Birkenfeld? Sie können reinkommen.« Mit einem metallischen Summen schwang das Tor auf und ließ sie ein.
»Warten Sie bitte hier.« Die ältere Frau – es war nicht die gleiche wie am Montag – zeigte auf eine Holzbank mit geschnitzter Lehne, die links von der Eingangstür stand. »Der Prinzipal kommt gleich.«
»Der Prinzipal?« Jo flüsterte.
»Ja, so nennen sie Romain Holländer. Du wirst überrascht sein.« Auch Lara sprach leise. Es war zwar niemand zu sehen, aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass man sie beobachtete.
»Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen.« Jo nestelte an seiner Jacke und zog gerade den Reißverschluss auf, als Lara ihm ihren Ellenbogen in die Seite stieß. Gemeinsam blickten sie auf den Mann, der mit schnellen Schritten die geschwungene Treppe herunterkam. Auch heute trug Romain Holländer wieder seine »Tracht«. Weiße Hose, weißes Hemd, weiße Schuhe und weiße Socken. Lara fragte sich, ob seine Haare von Natur aus schon komplett ergraut waren, oder ob er sie der besseren Wirkung wegen bleichte. Der Mann konnte höchstens fünfzig sein. Eher
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