Sündenkreis: Thriller (German Edition)
eindeutiger.«
Lara öffnete die Augen und sah, dass Jo die Blätter mit ihren Notizen zu den Fällen vor sich auf das Armaturenbrett legte. »Nummer eins, Carolin Fresnel, das Model; von den Medien ›Brautleiche‹ genannt. Sie wurde bei der Modenschau am neunten Februar gefunden. Auf ihrer Stirn standen die Wörter Lucifer und superbia , auf ihren Rücken war ein lateinischer Text tätowiert, der darauf hinweist, dass man nicht auf Äußerlichkeiten wie Schmuck und Kleidung Wert legen soll, sondern auf innere Werte.«
»Sinngemäß stimmt das.«
»Und die Leiche war eingefroren. Wie lange, wissen wir nicht.«
»Und auch nicht, weshalb.«
»Model, Modenschau, Äußerlichkeiten. Das passt alles exakt zusammen.« Jo tippte zur Bekräftigung auf die Zettel und fuhr fort. »Nummer zwei war diese Nina Bernstein, die ›Kirchenleiche‹. Sie wurde am Montag, dem fünfzehnten Februar, in der Heuerswalder Kirche gefunden. Die Leiche war gekreuzigt, in den Augenhöhlen steckten zwei Holzkugeln, die von einem anglikanischen Rosenkranz stammten. Auf ihrer Stirn fanden sich die Wörter luxuria und Asmodaeus . Kirche, Kreuzigungspose und Rosenkranz. Das klingt nach Märtyrer.«
»Dazu passen aber der Text auf dem Rücken und die Wörter auf der Stirn nicht. Reinmann hat gesagt, der Text stamme aus der Bibel, aus dem Buch der Sprichwörter, und sei die sogenannte ›Warnung vor dem Ehebruch‹. Die exakte Übersetzung deutet auch darauf hin. Ich denke, bei Nina Bernstein ging es um die fehlende Keuschheit.«
»War sie denn promiskuitiv?«
»Keine Ahnung. Ich wollte zu ihrer Vorgeschichte Nachforschungen anstellen, hatte aber keine Zeit dazu.«
»Das könnte man ja nachholen.« Jo nahm das oberste Blatt vom Armaturenbrett, hauchte die Spitze des Kugelschreibers an, den er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte und schrieb hinter Nina Bernsteins Auflistung »Promiskuität?«.
»Als Drittes hätten wir Robert Wessel, den Immobilienberater. Seine Leiche wurde exakt eine Woche nach der von Nina Bernstein gefunden. Sie war in der Commerzbankfiliale in der Riebeckstraße vor einem Geldautomaten arrangiert. Der Mörder hat den Mann vor seinem Tod gezwungen, Geldscheine zu essen. Auf seiner Stirn standen die Wörter avaritia und Mammon .«
»Hast du den Text von seinem Rücken auch?«
»Noch nicht. Ich versuche aber, ranzukommen. Unabhängig davon deuten alle Details darauf hin, dass es hier um Geld ging: Robert Wessels Beruf, die Lage der Leiche, die Scheine im Magen, das Wort Mammon .«
»Klingt logisch.« Lara sah durch das Beifahrerfenster nach draußen in die Dunkelheit. Es schneite schon wieder. Der Motor lief, und das Gebläse fauchte warme Luft in den Fußraum. »Mich wundert, dass das Verschwinden der Opfer nicht eher bemerkt wurde. Sie waren alle mehrere Tage weg. Ist das denn niemandem aufgefallen?«
»Bis jetzt hat der Täter immer Alleinstehende ausgewählt. Junge Menschen haben nicht täglich Kontakt zu Eltern oder anderen Verwandten.«
»Wie ist er überhaupt auf gerade diese Leute gekommen? Er muss doch in irgendeiner Form auf sie aufmerksam geworden sein?«
»Wenn wir das wüssten … Wir müssten im Leben der Opfer nach Gemeinsamkeiten suchen. Aber dazu fehlen uns Zeit und Mittel. Hast du denn in deinen Gesichten irgendwelche Einzelheiten gesehen, die wir dem Puzzle hinzufügen könnten?«
»Nichts Konkretes. Einmal war ein dunkles Auto im Bild. Aber das könnte auch einem der Opfer gehört haben. Und beim letzten Mal hätte ich fast das Gesicht des Täters gesehen. Aber nur fast. Ich kann es nicht herbeizwingen. Die Gesichte erscheinen wann sie wollen.«
Jo hatte noch immer das oberste Blatt in der Hand und schaute nachdenklich auf die Notizen. »Heute ist Donnerstag. Wenn der Täter sein bisheriges Schema weiterverfolgt, müsste die nächste Leiche Anfang nächster Woche auftauchen. Ich bin davon überzeugt, dass er weitermacht, auch wenn wir bis jetzt noch nicht wissen, welchen Zweck diese Morde haben.«
»Ich glaube, ich weiß, wer das nächste Opfer ist. Eine dicke Frau mit einem Pfannkuchengesicht. Mittelalt.« Lara fasste in Kurzform zusammen, was sie gesehen hatte. »Ob sie noch lebt?«
Jo schrieb Stichpunkte auf die Rückseite des Zettels. »Ich denke schon. Wenn wir nur wüssten, wozu er sie so lange am Leben hält. Was macht er mit ihnen in dieser Zeit?«
»Sie tätowieren?«
»Aber das dauert doch höchstens einen Tag. Nein, es muss noch einen anderen Grund geben.«
»Glaubst du,
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