Suendenpakt
selbst für die großzügig ausgelegten Standards seiner Zunft eine Ausgeburt an Jovialität, Lebhaftigkeit und Geschwätzigkeit.
Angesichts seiner Reaktion auf meinen Gruß an diesem Morgen würde man allerdings schwören, er wäre taub und blind.
Egal. Ich bin immer noch erleichtert, in meinem Büro zu sitzen, wo ich in aller Ruhe die Zeitungen lesen kann, bevor ich mich bei Clarence melde.
Als ich ihn anrufe, ist der arme Kerl wegen Dante so durch den Wind, dass er kaum reden kann. Er musste in die Notaufnahme gehen und sich ein Beruhigungsmittel verpassen lassen, um die Nacht zu überstehen. Ich hoffe, dass ich es mir nur einbilde, aber er wirkt ebenfalls ein bisschen kühl. Was haben die alle bloß heute Morgen?
Marie muss es noch schlechter gehen, weil sie sich erst gar nicht am Telefon meldet.
Als Lampkes Verträge am Mittag immer noch nicht eingetroffen sind, hole ich mir Phyllis vom Maklerbüro an die Strippe.
»Ich hätte dich schon längst anrufen sollen«, gesteht sie ein. »Peter hat beschlossen, sich einen Anwalt zu nehmen, der etwas mehr Erfahrung mit Immobilien hat.«
»Ehrlich?«
»Ehrlich.«
Die schlechte Nachricht macht mich hungrig, aber statt auf der anderen Straßenseite im John’s abgewiesen zu werden, fahre ich mit Wingo in einen kleinen Laden am Rand von Amagansett, der von einem Honduraner und seinen drei Töchtern geführt wird.
Wie immer drängen sich in dieser Kneipe lateinamerikanische Fliesenleger, Gärtner und Jobber, die die Hamptons am Laufen halten. Trotz der Stapel von Zeitungen mit Dantes Bild auf der Titelseite schert man sich hier kein bisschen um das neuste Hamptons-Drama. In diesem isolierten, Spanisch sprechenden Viertel bin ich unsichtbar. Fühlt sich richtig gut an.
Das Sandwich mit Schwein und gemischtem Gemüse esse ich an meinem Schreibtisch, muss aber trotz aller Bemühungen an Dante denken, der verängstigt in seiner Zelle sitzt, und an seinen müden, alten Pflichtverteidiger. Als einziger Trost fällt mir ein: Allein wegen seiner Größe wird Dante davor geschützt sein, dass ihm jemand etwas antut.
Michael Walker hat sich allerdings noch nicht gestellt. Ich rufe Lenny im Büro der AP an, ob er schon was gehört hat. Wir plaudern miteinander, als plötzlich etwas durch mein Bürofenster geworfen wird. Hey, was soll das? Glasscherben fliegen über meinen Schreibtisch. Dann bemerke ich eine brennende Tüte auf dem Boden.
»Ich ruf dich später noch mal an, Lenny! Jemand hat gerade mein Fenster eingeworfen.«
Ich ersticke die Flammen mit dem Feuerlöscher, der im Flur an der Wand hängt, doch mein Büro ist bereits voll ätzendem gelbem Qualm und einem fürchterlichen Gestank, der, wie Wingo und ich schnell herausfinden, von einer Tüte mit brennender Scheiße stammt.
Ich glaube, ich habe verstanden: Jemand ist sauer auf mich. Und wisst Ihr was? Ich bin auch sauer, aber auf die.
36
Detective Connie P. Raiborne
Ich nenne Detective Yates die Adresse für den ersten heute gemeldeten Mord - die 838 MacDonough. Er schert auf die linke Spur und brettert die Fulton Street entlang. Die schreiende Sirene und das Blaulicht schaffen es kaum, die übliche Kakofonie eines netten Nachmittags in Bed-Stuy zu stören.
Die Schüler, die vor Price-Wise herumhängen, würdigen mit ihren verschlafenen Augen unseren verbeulten Crown Victoria kaum eines Blickes. In diesem Viertel gehören Polizeisirenen zur üblichen Geräuschkulisse, wie die Streich- und Blasinstrumente in einem Stück von Nelson Riddle.
»Joe, immer mit der Ruhe. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass unser Mann nicht abhauen wird.«
Joe Yates verfügt über die drei ärgerlichsten Eigenschaften, die ein Kollege oder Freund je haben kann - unermüdlich gute Laune, volles Haar und eine hübsche Freundin. Vielleicht hängen die drei Dinge miteinander zusammen, aber das macht sie auch nicht weniger ärgerlich.
Yates antwortet auf meine Bitte nicht, hört aber anscheinend zu. Er verlangsamt das Tempo auf doppelte Höchstgeschwindigkeit, und die Reifen quietschen weniger, wenn er in die Kurven fährt. Als wir schließlich vor einem fünfstöckigen Haus ohne Fahrstuhl hinter den beiden in zweiter Reihe stehenden Streifenwagen halten, ist mein Becher mit Eiskaffee immerhin noch halb voll.
»War das langsam genug, Opa?«
Oben im dritten Stock, sind alle anderen schon da - Heekin von der Forensik, Nicolo und Hart von der Mordkommission und der Streifenpolizist, der die Tür aufgebrochen hat, nachdem ein
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