Sündenzeit
sie.
Zach atmete erleichtert aus, sicherte die Schusswaffe wieder und schob sie in seinen Hosenbund zurück. Dann schloss er die Tür hinter sich.
„Hast du denn was gefunden?“
„Gedichte.“
„Was?“
„Gedichte. Er hat wohl gern gedichtet. Na ja, es sind mehr so kleine Liedchen. Witzige kleine Reime. Hier, hör mal: Einmal zum Strand, zweimal zum Meer, ach, ich freue mich so sehr! Was für ein schlauer Fuchs ich bin …“
Zach hob die Augenbrauen. „Sehr tiefsinnig.“
Caer zuckte die Schultern. „Er scheint seinen Spaß daran gehabt zu haben. Hör zu, es ist nichts im Computer gespeichert. Ich meine, da gibt es natürlich eine Menge Dateien – aber das hast du ja alles schon gesehen. Was ich glaube, ist, dass Eddie etwas auf Cow Cay gefunden und es ausgegraben und woanders versteckt hat.“
„Wie kommst du darauf?“ Zach dachte daran, dass sie womöglich gar nicht wusste, dass gestern Nacht ein Mann umgebracht worden war.
„Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, mit diesen Versen hat er … Hinweise gegeben. Als Erinnerung vielleicht.“
„Nimm sie mit. Wir können sie uns später etwas genauer ansehen. Wir sollten zum Haus zurückfahren.“
„Okay.“
Caer sammelte die Zettel mit den Gedichten ein und schob sie in eine Dokumentenmappe.
„Wie bist du überhaupt reingekommen?“, wollte er wenige Minuten später wissen, als sie nach Hause fuhren.
Sie zögerte. Er fragte sich, ob sie ihn gleich anlügen und behaupten würde, die Tür wäre offen gewesen, als sie ankam. „Ich hab das Schloss aufgebrochen“, gestand sie ihm.
„Gute Arbeit. Hätte ich nicht bemerkt.“
Sie zuckte mit den Schultern.
Plötzlich steuerte er den Wagen an den Straßenrand und hielt an. Sie starrte ihn erschrocken an.
„Caer, wer bist du? Weshalb bist du hier?“
„Ich habe dir doch gesagt, dass …“
„Alles, was du mir erzählt hast, war doch reiner Blödsinn. Wer bist du wirklich?“
„Caer Cavannaugh.“
„Okay, versuchen wir’s noch mal. Wer bist du wirklich und weshalb bist du hier?“
Sie blickte ihm fest in die Augen. „Du hast mir geglaubt, dass ich versuche, Sean zu schützen. Können wir’s nicht dabei belassen?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Auf Cow Cay wurde gestern Nacht ein Mann ermordet. Ein Mann, den ich angeheuert hatte, dort Wache zu halten, wo wir gegraben haben.“
„Ermordet?“
„Höchstwahrscheinlich. Wir haben eine Menge Blut gefunden. Der Mann ist allerdings wie vom Erdboden verschluckt, genau wie Eddie.“
„Die Krähen“, murmelte sie. „Es hat schon begonnen.“
„Für wen arbeitest du?“, wollte Zach wissen.
„Für eine irische Agentur“, erwiderte sie nach kurzem Zögern.
„Den Namen der Agentur, bitte.“
„Sie wird nur ‚Die Agentur‘ genannt“, sagte sie.
„Blödsinn.“
Sie atmete tief durch. „Okay, Zach. Du willst die Wahrheit wissen? Gut, also: Ich bin eine Banshee!“, sagte sie. „Man nennt uns auch Todesfeen, ich denke, das ist eine passende Bezeichnung. Wir sind Geister, und wir beschäftigen uns mit dem Tod beziehungsweise den Sterbenden. Aber alles, was du so Furchtbares oder Beängstigendes von Banshees gehört hast, stimmt nicht. Wir sind da, um es den Menschen leichter zu machen, um ihnen zu helfen, in die andere Welt überzugehen.“
Sie hatte das so ernsthaft gesagt.
Er spürte, wie die Wut in ihm aufstieg. „Das ist der größte Blödsinn, den ich je gehört habe“, sagte er verärgert. „Und weißt du was? Mit meiner Rücksichtnahme ist es vorbei. Ich wollte dir vertrauen. Ich habe dir vertraut. Zum Teufel, ich hab mich sogar ein bisschen in dich verliebt. Aber du musst mir die Wahrheit sagen. Wenn du zu irgendeinem irischen Geheimdienst gehörst, spuck es aus. Ich werde mir deine Papiere vornehmen, die Geheimakten durchforsten. Mein älterer Bruder hat fast überallhin Kontakte.“
Ihr Gesichtsausdruck wurde verschlossen. „Tu, was du tun musst, Zach.“ Er registrierte erstaunt, dass ihre Stimme leicht zitterte.
Er umklammerte das Lenkrad fester. „Es sind Leute umgebracht worden. Sag mir die Wahrheit.“
„Das habe ich gerade getan“, sagte sie tonlos und blickte stur geradeaus. „Warum fällt es dir so schwer zu glauben? Kannst du nicht akzeptieren, dass ich hier bin, um Leben zu retten? Kannst du … kannst du mir nicht einfach noch die Zeit schenken, die wir haben, bevor ich gehen muss?“
Er starrte sie an. Mein Gott, sie war so schön. Am liebsten hätte er sie jetzt in die Arme
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