Sündenzeit
war das Land des Glaubens. Nicht nur an einen Gott, sondern auch an die alten Mythen und Sagen voller fantastischer Gestalten. Wesen, die niemals wirklich gelebt und geatmet hatten, sondern nur in der Vorstellungskraft eines Volkes existierten, das seine Sagen liebte.
Worin er sich auskannte, waren Logik und Wissenschaft. Er biss entschlossen die Zähne zusammen. Er würde sich nicht mehr von diesen merkwürdigen Fantasien ablenken lassen, die zweifellos aus seiner Übermüdung resultierten.
„Wohin gehen wir denn?“, erkundigte er sich locker bei Caer und setzte sich neben sie. Er war ihr nahe genug, um den zarten Duft ihres Parfüms riechen zu können. Nichts Überwältigendes.
Einfach nur …
Verführerisch.
„‚Irish Eyes‘“, sagte sie und gab dem jungen Mann hinter der Bar ein Zeichen, dass sie die Rechnung haben wollte.
„Irish Eyes“, irische Augen. Waren das Caers Augen? Ein Blau, noch intensiver als das von Kobalt oder Saphiren. Irische Augen.
„‚Irish Eyes‘?“, wiederholte er.
Sie sah ihn leicht irritiert an. „‚Irish Eyes‘, ja. Das ist der Name des Pubs.“
Schnell versuchte er, seine Fassung wiederzugewinnen. Er fühlte sich wie ein Idiot. „Gut. Vergeben Sie dem Ausländer seine leichte Verwirrtheit“, sagte er betont locker.
Sie lächelte. „Kein Problem. Es ist ein sehr beliebtes Lokal in Temple Bar. Tut mir leid, wenn Sie jetzt enttäuscht sind. Es werden sicher viele amerikanische Touristen dort sein. Wir bewegen uns also nicht abseits der ausgetretenen Pfade, fürchte ich.“
„Immerhin habe ich ja eine Einheimische bei mir“, sagte er galant.
Er nahm die Rechnung an sich, als der Barkeeper sie brachte, obwohl sie protestierte.
„Hey, wir arbeiten beide für Sean, oder nicht?“, sagte er.
„Sie arbeiten für ihn?“, fragte sie erstaunt und musterte ihn stirnrunzelnd. „Aber Sie sind doch Freunde, denke ich.“
„Ja, ich bin sein Freund. Ein Freund, der alles daransetzen wird, dass Sean noch eine lange Zeit bei uns auf der Erde weilt“, sagte Zach entschlossen. Er ließ die Rechnung auf sein Zimmer ausstellen und wollte schon losgehen.
„Moment“, sagte sie.
Er runzelte die Stirn, als sie ihr Bierglas hob, und sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Wir gehen jetzt in einen Pub. Sie müssen das nicht runterkippen.“
„Runterkippen“, wiederholte sie und rollte dabei das R, während sie ihn lächelnd ansah.
„Na gut, wir können ja auch noch warten.“ Er lehnte sich wieder zurück.
„Es ist einfach nur ein so ganz besonders leckeres Bier“, entschuldigte sie sich.
„Sicher.“
Sie kippte es nicht hinunter, zauderte aber auch nicht lange. Als sie alles ausgetrunken hatte, stellte sie das Glas wieder auf den Tisch und strahlte über das ganze Gesicht. Aus dem Augenwinkel musste sie wohl seinen prüfenden Blick bemerkt haben. Eine leichte Röte überzog ihre Wangen.
„Tut mir leid, aber ich gehe so selten mal aus dem Haus“, bemerkte sie.
„Verstehe.“ Er verstand überhaupt nicht. Warum ging eine Frau, die so aussah wie sie, nicht aus? An einem Mangel an Einladungen konnte es bestimmt nicht liegen.
„Dann wollen wir mal“, sagte sie heiter.
Beim Aufstehen schwankte sie leicht. Automatisch legte er ihr den Arm um die Schultern, um ihr Halt zu geben. Sein Puls schnellte augenblicklich in die Höhe. Sie fühlte sich so warm, so lebendig an. Sofort entbrannten gewisse Gelüste in ihm, die sich noch zu seinem neu aufflammenden Bedürfnis gesellten, sie zu beschützen. Zu beschützen … wovor? Er biss die Zähne zusammen. Fühlte sich hin- und hergerissen zwischen dem Drang, sie energisch von sich zu schieben, und dem Wunsch, sie so lange zu schütteln, bis sie ihm endlich die Wahrheit sagte.
Welche Wahrheit?
Warum war er so überzeugt davon, dass sie irgendetwas vor ihm verbarg? Warum akzeptierte er nicht einfach, dass sie eine sehr schöne Frau war, und genoss es, etwas Zeit in ihrer Gesellschaft verbringen zu können?
Er wusste es nicht. Und er bekam auch keine Gelegenheit mehr, darüber nachzudenken. Caer richtete sich schnell gerade auf und entschuldigte sich. „Tut mir leid. Ich habe schon seit … Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal Alkohol getrunken habe. Heute Abend werde ich es bestimmt langsam angehen lassen, das verspreche ich Ihnen.“
„Machen Sie sich keine Gedanken, ich sorge schon dafür, dass Ihnen kein Unheil widerfährt“, versprach er und ließ sie los. Er fragte sich, warum er ausgerechnet
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