Sündenzeit
aus?“
„Sicher nicht so gut wie Sie.“
Sie lächelte. „Es heißt Temple Bar, weil das Land im 17. Jahrhundert von einem Mann namens Temple erworben wurde. Und ‚Bar‘ ist die Promenade am Fluss entlang. Glücklicherweise ist es auch nicht weit vom Hotel entfernt.“
„Glücklicherweise“, stimmte er zu. „Obwohl ich normalerweise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln herkomme, muss ich zugeben.“
Sie lächelte ihn an. „Aye, aber bei gutem Wetter ist es ein schöner Spaziergang.“ Sie runzelte plötzlich die Stirn. „Ist das Wetter in New England tatsächlich so rau, wie man sagt?“
„Man sagt, das Wetter in New England ist rau?“, fragte er zurück.
„Nun, die Pilger sind ja alle gestorben, oder?“
Er lachte. „Nicht alle – und nicht wegen des Wetters. Ich muss gestehen, dass ich immer im Süden gelebt habe. Aber ich war oft genug zu Besuch bei den O’Rileys, um ein paar Winter in New England aus erster Hand mitbekommen zu haben. Sean und mein Vater waren befreundet. Nachdem unsere Eltern gestorben sind, war Sean wie ein Onkel für mich und meine Brüder. Also Winter in New England? Man kann nie wissen. Manchmal kann es sehr kalt sein, viel kälter, als es hier normalerweise ist. Aber an der Küste ist das Klima ziemlich gemäßigt, wenn es nicht gerade stürmt. Die Gewitter dort können ganz schön heftig werden. Eigentlich mag ich es, mir ein richtig gutes Gewitter anzusehen – allerdings nur durchs Fenster aus einer schönen warmen Bude. Ich bin ein paar Mal abseits der Küste von einem Sturm überrascht worden, und das gehört nicht unbedingt zu meinen besten Erlebnissen. Aber diese alten Seebären, Typen wie Eddie und Sean, lieben den Wind und die Wellen.“
„Klingt ziemlich gefährlich“, bemerkte Caer.
Als Eddie unterwegs war, gab es keinen Sturm, dachte Zach.
„Naturgewalten können überall gefährlich werden“, betonte er.
Aber die Menschen sind oft viel gefährlicher, fügte er in Gedanken hinzu.
„Sie denken an Eddie, nicht? Sie glauben, dass er tot ist, und Sie machen sich Sorgen um Sean.“
„Ja.“
„Kennen Sie Eddie?“
„Ja.“
„Meinen Sie, dass er vielleicht … Ich weiß nicht. Dass er sich womöglich aus irgendeinem Grund versteckt?“
„Schön wäre es.“
Sie schwieg. Dann deutete sie auf einen der Türme, die in den Nachthimmel aufragten. „Christ Church Cathedral. Die ließ ein Mann namens ‚Silkbeard‘ bauen. Tatsächlich hieß er Sitric, ein Norwegerkönig von Dublin. Wussten Sie, dass die Stadt von den Norwegern gegründet wurde? Dann kamen die Normannen, die Anglonormannen und die Engländer. Können Sie sich das vorstellen, diese ganzen Verschwörungen, Intrigen und Kämpfe hier?“
Er registrierte erstaunt, dass sie offensichtlich versuchte, ihn etwas aufzuheitern.
„Sie lieben diese Stadt wirklich, was?“, sagte er.
„Wie kann man sie nicht lieben?“, erwiderte sie leise. „Dublin ist eine der schönsten Städte der Welt.“
Er lachte. „Sie haben doch gesagt, dass Sie die Britischen Inseln noch nie verlassen haben.“
„Ich habe Reportagen im Reisesender gesehen“, verteidigte sie sich.
„Ich wollte Ihnen ja gar nicht widersprechen. Es ist wirklich eine wundervolle Stadt“, versicherte er ihr und versuchte, nicht über ihre beleidigte Miene zu lachen. Sie hatte ja recht. Dublin war tatsächlich eindrucksvoll. Hier spürte man so viel von der Geschichte, die allerdings eine Menge tragischer Ereignisse beinhaltete. Aber heutzutage war diese Stadt so lebendig und kosmopolitisch wie jede andere Metropole, die er kannte. Während sie die Straßen entlangliefen, hörte er die Menschen um sich in den unterschiedlichsten Sprachen reden, so wie in New York, London oder Paris auch. Doch die Mehrheit hier sprach ein Englisch mit diesem gewissen irischen Klang. Ein Tonfall, der alles, was Caer sagte, so melodiös klingen ließ.
„Der Pub ist direkt da drüben“, sagte sie und unterbrach seine Gedanken. „Sehen Sie das Schild? ‚Irish Eyes‘.“
Caer ging ihm voraus durch Gruppen von Leuten, die sich draußen versammelt hatten, um zu rauchen. Zach registrierte, dass sich alle nach ihr umdrehten. Sie war nicht nur schön, sie war umwerfend schön.
Sie würde überall auffallen.
Er folgte ihr in das Lokal und stellte fest, dass man ihm ebenfalls nachblickte.
Weil er mit ihr zusammen war.
Als sie hereinkamen, war er schon sicher, dass sie sich entschuldigen und ihm erklären würde, ihre Freunde hätten es doch nicht
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