Sündenzeit
musste wissen, was los war. Kat kam sich so albern vor, als spielte sie eine Rolle in einem Horrorfilm. Doch das hier war ihr Zuhause, und sie würde sich nicht von der Furcht übermannen lassen. Außerdem war Zach in der Nähe, nur ein paar Türen weiter. Und ihr Vater und Caer befanden sich eine Etage tiefer.
Auf Amanda konnte man natürlich nicht zählen, aber Bridey war auch noch hier.
Na großartig. Sie konnte ihre kranke Großtante rufen, damit sie zu ihr kam und sie tröstete, während sie hier zitternd und barfuß herumstand.
Und wovor um alles in der Welt hatte sie denn überhaupt Angst?
Vor dem Geräusch flatternder Flügel? Wirklich toll.
Kat gab sich einen Ruck und ging zum Fenster hinüber. Sie zog den Vorhang beiseite … und schnappte nach Luft.
Krähen oder Raben.
Unmengen davon.
Sie hockten auf dem Dach des Cottages, auf der Garage, in den Bäumen, überall ums Haus herum. Noch mehr davon schwirrten durch die Luft wie die Vorboten des Bösen. Vögel. Mitten in der Nacht. Im tiefsten Winter.
Aber es sind eben nur Vögel, sagte sie sich. Einfach nur Vögel. Warum zum Teufel ließ sie sich von denen nervös machen?
Sie sah auf ihr Fensterbrett hinunter und hätte fast vor Schreck aufgeschrien.
Einer von ihnen saß dort auf dem Vorsprung. Starrte sie an. Mit nur einem Auge … Als er den Kopf drehte, sah sie, dass das andere fehlte.
So saß er da und starrte sie an. Er war so nah, dass er sie mit dem Schnabel hätte picken können, wäre nicht das Fensterglas zwischen ihnen gewesen.
Kat ließ den Vorhang fallen, um die Vögel nicht mehr sehen zu müssen. Doch ihre Angst konnte sie damit nicht so einfach bezwingen. Vor ihren Augen entstand plötzlich ein furchtbares Bild von einem großen Vogel, der durch die Scheibe schlug und sie attackierte, die Krallen durch ihr Gesicht zog …
Kat dachte daran, über den Flur zu Zach hinüberzulaufen. Er war ihr Freund. Er würde sie verstehen.
Aber das konnte sie nicht machen. Zach hatte seine eigenen Sorgen. Er hatte sich in Caer verliebt.
Caer!
Sie konnte zu Caer nach unten gehen und sie bitten, in ihrem Zimmer übernachten zu dürfen. Vielleicht brauchte sie ihr ja nicht zu gestehen, dass sie Angst hatte. Sie würde es einfach damit begründen, dass sie sich Sorgen um ihren Vater machte.
Mit diesem Vorsatz verließ sie ihr Zimmer. Doch dann fiel ihr Blick auf Brideys Zimmertür, und automatisch lief sie auf Zehenspitzen stattdessen in diese Richtung.
Bridey schlief. Aber sie war so schmal und klein, da war noch jede Menge Platz in ihrem Bett, sodass Kat ohne Weiteres zu ihr unter die Bettdecke schlüpfen konnte.
Kat hätte fast aufgeschrien, als Bridey etwas sagte.
„Pst, meine Kleine, es ist alles in Ordnung. Du brauchst keine Angst zu haben.“
Kat war zu erschrocken, um sich darüber zu wundern, dass Bridey sie sofort bemerkt hatte. „Da sind so viele Vögel“, sagte sie nur.
„Ich weiß. Aber du hast nichts zu befürchten, mein Kind.“
„Hast du sie gesehen?“
„Ich höre sie. Es sind die Vorboten der Dunkelheit, Kat. Aber das Licht bleibt auf dieser Erde.“
Großartig. Bridey verabschiedete sich jetzt in irgendwelche Wahnvorstellungen.
„Ich beschütze dich, das verspreche ich“, sagte Bridey.
Kat umarmte sie. „Ich liebe dich, Tante Bridey. Und ich werde dich beschützen.“
Und dann schlief Kat endlich ein.
Cal stand auf der Veranda, auf die man durch die Glasschiebetüren im hinteren Teil des Hauses gelangte und die einen spektakulären Ausblick übers Meer bot.
„Sind sie immer noch da?“, fragte Marni.
Er nickte.
Sie trat neben ihn und legte ihm zitternd die Arme um die Taille.
Sie hatten einen wunderschönen Garten hier hinter dem Haus, perfekt für Partys. Der Grill und ihr eingebauter Swimmingpool waren im Moment abgedeckt. Aber im Sommer kam beides sehr oft zum Einsatz, wenn die vielen Liegestühle von Freunden besetzt waren, die sich köstlich amüsierten.
Heute Nacht nicht.
Heute Nacht war der Garten voller …
Vögel.
„Das ist das Gruseligste, was ich je gesehen habe“, sagte Cal, während er die Szene beobachtete. Er schien nicht direkt verängstigt zu sein, nur fasziniert.
Marni beunruhigte dieser Anblick allerdings.
„Sollten die nicht in den Süden geflogen sein?“, flüsterte sie.
„Vielleicht hat das was mit der Klimaerwärmung zu tun.“
„Sieh bloß zu, dass alle Fenster und Türen richtig geschlossen und die Läden runtergelassen sind, damit sie draußen bleiben. Und jetzt
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