Sündige Gier
unerbetenen Besuch zu melden. Aber damit würde sie in die Geschichte hineingezogen, und sie hatte sich und Carol versprochen, dass das nicht passieren würde. Sie hoffte, dass Mrs Hamiltons Warnung ihn vertrieben hatte.
Sie war fest entschlossen, sich von Billy Duke nicht den Abend vermiesen zu lassen, aber als sie die schicke Bar betrat, bemühte sie sich immer noch, einen Anflug von Beklemmung abzuschütteln.
Ihre Beklemmung verstärkte sich noch, als sie Tony entdeckte, der an einem der Stehtische hinten im Raum lehnte und unglaublich elegant und gut aussah.
21
Julies Schrei gellte durch den Flur. Er machte einen Schritt auf sie zu, stemmte dann die Hände in den Türstock und versperrte ihr so den Durchgang. Seine Haut wirkte wächsern und tot. Die Augen lagen tief in den dunklen Höhlen.
Julie machte auf dem Absatz kehrt und wollte losrennen, aber im selben Moment stürzte er sich auf sie, bekam sie an der Schulter zu fassen, drehte sie herum und taumelte gegen sie, wobei er sich das Messer in ihrer Hand in den Bauch rammte. Es versank bis zum Heft im Fleisch. Er riss den Mund zu einem Schrei auf, aber aus seinem Schlund ergoss sich nur widerlicher Schleim, der auf Julies Brust spritzte. Sie schrie auf.
Verzweifelt versuchte sie, ihn abzuschütteln, doch er hielt sich eisern an ihr fest. In einem makabren Tanz versuchte sie, sich von ihm zu lösen. Er klammerte sich weiter fest.
Dann begann er, sich zu krümmen. Er konnte sich nicht mehr halten, kippte rückwärts auf den Boden und begann, so heftig zu zittern, dass seine Schulterblätter und Fersen gegen das Parkett hämmerten.
Julie sprang über ihn hinweg und taumelte in ihr Schlafzimmer. Sie riss das schnurlose Telefon vom Nachttisch und tippte hektisch die Notrufnummer ein. Nichts geschah. Sie ließ das Telefon fallen. Es fiel klappernd auf den Boden. Ihr Handy steckte in der Handtasche in der Küche. Sie stolperte in den Flur zurück.
Inzwischen zuckte der Fremde nicht mehr ganz so heftig. Sie ging neben ihm in die Hocke und versuchte dabei, nicht auf den Messergriff zu sehen, der aus seiner Brust ragte. »Ich rufe gleich Hilfe. Aber ich muss mein Handy holen. Ich bin sofort wieder da. Versuchen Sie zu…«
Seine Augen waren weit aufgerissen, aber sie starrten die Decke an, ohne Julie noch wahrzunehmen. Er schien sie nicht zu hören und ihre Anwesenheit gar nicht mehr zu bemerken. So als wäre er schon an einem anderen Ort. Noch einmal zuckte er.
Dann lag er absolut still da.
Derek und Dodge hatten den Boulevard überquert und waren gerade auf dem Parkplatz des Steakhauses angekommen, als Derek sah, wie Kimball und Sanford aus Billy Dukes verlassenem Motelzimmer gerannt kamen, als wäre ihnen ein Dämon auf den Fersen.
In vollem Lauf hielten sie auf die Rezeption des Motels zu. Sanford stieg auf der Fahrerseite ihres Zivilfahrzeugs ein und knallte ein magnetisches Einsatzlicht auf das Dach, während Kimball noch kurz den Kopf in die Rezeption steckte. Sie rief Dora und ihrem Partner, die gerade dabei waren, die Koreanerin zu befragen, etwas zu. Dann setzte sich Kimball zu Sanford in den Wagen. Er ließ den Motor aufheulen, und sie schossen so schnell los, dass der Gestank von verbranntem Gummi bis zu Derek herüberwehte.
Derek sah Dodge an, dann liefen beide ohne ein weiteres Wort zu Dereks Wagen. Er klemmte sich hinters Lenkrad, Dodge ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Er hatte noch nicht einmal die Tür zugezogen, da stieg Derek schon aufs Gaspedal.
»Was hältst du davon?«, fragte er, während sie sich durch den Verkehr fädelten, immer dicht hinter Sanford her, aber ohne sich mit einem Blaulicht den Weg freimachen zu können.
»Keine Ahnung, aber die Sache ist heiß.«
»Billy Duke?«
»Vielleicht. Stört’s dich, wenn ich rauche?«
»Was glaubst du denn?«
Sie fuhren in angespanntem Schweigen dahin. Nach zehn Minuten bemerkte Dodge: »Sieht fast so aus, als würden sie zu dir fahren.«
»Eher zu Julie.« Derek wurde unwohl, als er begriff, dass er dem Zivilwagen immer tiefer in ihr Viertel folgte. »O Jesus, nein.«
»Was ist?«, fragte Dodge.
Derek antwortete nicht. Sobald er die Einsatzfahrzeuge mit blinkenden Lichtern in ihrer Straße stehen sah, stieg er auf die Bremse und hielt den Wagen an. Ehe Dodges Warnruf ihn erreichen konnte, rannte er schon auf dem Gehweg entlang und schubste die Nachbarn beiseite, die sich in kleinen Gruppen versammelt hatten, um Mutmaßungen anzustellen, was wohl vorgefallen
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