Sündige Gier
Schlaumeier«, raunzte Kimball ihn an.
»Schon komisch«, sagte Sanford. »Was denn?«, fragte Derek.
»Erst vertreten Sie die Wheelers. Dann nicht mehr. Und jetzt vertreten Sie Ms Rutledge.«
»Danke für den Geschichtsunterricht.« Er schob eine Hand unter Julies Ellbogen und wollte sie sanft aus dem Stuhl ziehen, um das Gespräch zu beenden.
Aber Kimball trat vor ihn hin. »Einen Moment noch.« Sie sah auf Julie und sagte: »Sie haben schon einmal und gerade eben wieder erklärt, dass Sie Billy Duke nie begegnet seien und ihn nie gesehen hätten, bevor er in Ihrem Haus zu Tode kam.«
»Das stimmt auch.«
»Waren Sie jemals im Pine View Motel?«
»Antworte nicht«, sagte Derek.
»Kein Problem«, erklärte ihm Julie. »Ich habe noch nie vom Pine View Motel gehört.«
»Ganz bestimmt?«
»Antworte nicht.«
»Hundertprozentig«, erwiderte sie, ohne Dereks Rat zu beachten.
»Wir haben etwas in Billy Dukes Zimmer gefunden, das irgendwie nicht in so ein ranziges Loch passt.« Kimball zog einen kleinen Plastikbeutel aus der Tasche ihres Blazers. Sie präsentierte den Beutel auf der offenen Hand und streckte sie Julie hin. »Haben Sie einen Knopf verloren?«
Julie spürte, wie ihr der Boden unter den Füßen wegsackte.
In dem Beutel lag ein runder Perlmuttknopf mit einem kleinen Auge aus Chrom auf der Unterseite, ein Knopf, der zu einer elfenbeinweißen Bluse aus Charmeuse gehörte, ein Knopf, den Derek mit Sicherheit ebenfalls wiedererkannte.
Er stand direkt neben ihr. Sie meinte zu spüren, wie von ihm, genau wie von ihr, Schuldgefühle und Verlegenheit ausstrahlten. Ein paar Sekunden sagte niemand etwas, dann fragte Sanford nach: »Ms Rutledge?«
»Ich…«
»Das ist bloß ein Knopf, Herrgott noch mal«, kam ihr Derek zuvor. »Man kann sie überall kaufen. Wer weiß, wem er gehört.«
»Gehört er vielleicht Ihnen, Ms Rutledge?«
Derek ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Er nahm Julie am Arm und zog sie aus dem Stuhl. »Der Mann, den Sie in Zusammenhang mit einem brutalen Mord gesucht haben, drang heute Abend in das Haus meiner Mandantin ein. Sie fürchtete um ihr Leben. Er griff sie an und stürzte dabei versehentlich in ein Messer. Tragischerweise ist er gestorben, ob nun durch die Stichwunde oder einen bislang unbekannten Grund, wird erst die Autopsie ergeben. Sie wissen, wie Sie mich erreichen können.«
Bevor Creighton das Chez Jean verließ, hatte er Julie erklärt, dass er verabredet sei, aber das war geschwindelt. Natürlich hätte er jederzeit zu Ariel fahren können. Er wusste, wo sie wohnte und wo sie arbeitete. Aber es war ihm lieber, wenn die zweite Kontaktaufnahme genauso zufällig wirkte wie die erste.
In der Hoffnung, dass sie ein Gewohnheitsmensch war, war er ins Christy’s zurückgekehrt und hatte dort an einem Stehtisch an der Wand Posten bezogen. Hier blieb er im Schatten, konnte aber gleichzeitig die ganze Bar und vor allem den Eingang im Auge behalten. Falls sie hereinkam, würde er sie sehen.
Wieder hatte er den Porsche zu Hause gelassen und stattdessen den SUV genommen, damit ihn der Junge vom Parkservice nicht im Gedächtnis behielt. Außerdem hatte er sich betont locker gekleidet, in Designerjeans mit einem Sportsakko aus Leinen, das weniger auffällig war als seine maßgeschneiderten Anzüge.
Selbst wenn er jemandem ins Auge fiel, war es eher unwahrscheinlich, dass derjenige wusste, mit wem er es zu tun hatte. Zum großen Verdruss seiner Eltern begleitete er die beiden so gut wie nie zu Wohltätigkeitsbazaren oder anderen Veranstaltungen, auf denen Fotografen nach Schnappschüssen jagten, um damit die Klatschspalten ihrer Zeitungen zu füllen. Er wollte nicht, dass sein Name und sein Gesicht in die Öffentlichkeit getragen wurden und dass jeder ihn erkannte.
Seine Mutter, Gott mochte sie für ihre Ignoranz segnen, fand seine Kamerascheu liebenswert und glaubte, sie würde aus einer tiefen Schüchternheit rühren. Was sein Vater davon hielt, wusste er nicht. Wahrscheinlich hatte er noch keinen Gedanken darauf verschwendet.
Creighton gab sich solche Mühe, nicht fotografiert zu werden, dass man fast glauben konnte, er hielte sich für hässlich. So hübsch wie er war, war es nicht einfach, sich unsichtbar zu machen, aber er hatte gelernt, nicht aufzufallen, und war inzwischen ziemlich geschickt darin, mit der Tapete zu verschmelzen, statt im Mittelpunkt zu stehen.
Wenn er anonym bleiben wollte, hielt er sich einfach im Schatten und unternahm nichts, was
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