Sündige Gier
Aufmerksamkeit erregt hätte. Heute Abend war es ganz besonders wichtig, dass sich niemand an ihn erinnerte, darum flirtete er nicht mit der Bedienung, die seine Bestellung für ein Mineralwasser entgegennahm, und wechselte ansonsten mit niemandem einen Blick oder ein Wort. Es war noch relativ früh, der Laden war längst nicht voll, darum hatte er den Tisch für sich allein, ohne dass sich jemand zu ihm stellen wollte.
Er stand schon eine knappe Stunde dort, als Ariel eintraf, allein und noch verunsicherter und schüchterner wirkend als beim ersten Mal. In einem vergeblichen Versuch, ihre Unsicherheit zu überspielen, hatte sie viel zu viel Make-up aufgelegt. Beim Eintreten warf sie die blonden Haare zurück, aber die Bewegung wirkte einstudiert, nicht natürlich.
Sie blieb sofort stehen und ließ den Blick durch das Lokal wandern. Als sie ihn entdeckte, spannte sie sich sichtbar an. Die Unentschlossenheit war ihr überdeutlich anzusehen. Das war der Mann, der erst so intensiv und vielversprechend mit ihr geflirtet hatte und der sie dann kaltschnäuzig sitzen gelassen hatte, sodass sie sich wie eine dumme Pute vorgekommen war. Sollte sie ihn ignorieren, sollte sie ihn zur Rede stellen und ihm erklären, was für ein Schwein er war, oder sollte sie versuchen, sich noch einmal bei ihm einzuschmeicheln?
Sie entschied sich für die erste Variante. Mit einem weiteren hoheitsvollen Haarschütteln stolzierte sie an die Bar und schnippte aufgesetzt draufgängerisch mit den Fingern, um den Barmann auf sich aufmerksam zu machen.
Creighton wartete ab, bis sie einen pastellgrünen - nein speigrünen - Martini serviert bekommen hatte, und schlenderte dann gemächlich zu ihr hinüber. Sie nippte an ihrem Drink und würdigte ihn keines Blickes.
»>Es tut mir unendlich leid< drückt es nicht einmal annähernd aus.«
Sie drehte ihm den Kopf zu, als hätte sie erst jetzt bemerkt, dass er hier war. Sie sagte nichts.
»Ich musste unerwartet ganz dringend weg. Du warst noch auf der Toilette. Ich konnte dir leider nicht mehr ausrichten, dass wir unsere Pläne auf ein andermal verschieben müssen.«
Sie wandte sich wieder ihrem Glas zu. Sie lächelte den vorbeikommenden Barkeeper an und stellte sicher, dass Creighton bemerkte, wie wenig sie sich für ihn und seine Entschuldigung interessierte.
»Ich musste sofort gehen, Ariel. Ich hatte keine Wahl.«
Sie knallte das Martiniglas so fest auf die Theke, dass die klebrige Flüssigkeit auf das Holz schwappte. »Ich weiß von dem Jungen draußen, dass du mit einer Frau weggefahren bist.«
»Meiner Assistentin.«
Das nahm ihr den Wind aus den Segeln. »Assistentin?«
»Meine Familie hat mit allen Mitteln versucht, mich zu erreichen. Ich hatte mich hier so gut amüsiert, dass ich mein Handy stumm geschaltet hatte. Also haben sie meine Assistentin losgeschickt, um mich aufzuspüren.«
»Warum?«
»Es ging um meine Nichte.« Er senkte den Blick auf die Theke und rieb über die Kondenswasserpfütze unter seinem Wasserglas. »Sie wurde vergewaltigt.«
»Vergewaltigt? O Gott!«
Die Lüge war wie geschaffen für diese Gelegenheit und löste die gewünschte Reaktion aus. Er seufzte tief. »Von einem Dreckskerl, den sie für einen Freund hielt.«
Ariels Augen waren groß wie Untertassen und sahen ihn voller Betroffenheit, Zorn und Mitgefühl an.
»Er fuhr mit ihr an einen abgelegenen Fleck. Zwang sie, es ihm mit dem Mund zu machen, und dann…« Er verstummte, als hätte er nicht die Kraft weiterzusprechen.
Sie legte beide Hände auf seine. »Mehr brauchst du mir nicht zu erzählen.«
Eigentlich genoss er es, ihr zu beschreiben, wie er die süße kleine Alison Perry überredet hatte, in sein Auto zu steigen. Damals hatte er gerade den Führerschein bekommen. Um das und seinen sechzehnten Geburtstag zu feiern, hatten ihm seine Eltern ein BMW-Cabrio geschenkt.
Wie geblendet hatte ihm Alison erklärt, sie sei noch nie in einem Cabrio gefahren. Doch als es endlich interessant wurde, hatte er das Verdeck hochfahren müssen, um ihre Schreie zu dämpfen. Letzten Endes hatte er sie sogar bewusstlos schlagen müssen, um sie zum Schweigen zu bringen.
Hinterher hatte ihr Wort gegen seines gestanden, was die Art des Geschlechtsverkehrs anging. Schließlich und endlich - allerdings erst nach großem Hin und Her - ließen sich die Perrys überreden, dass es für »die Kinder« besser wäre, wenn die Sache nicht an die große Glocke gehängt würde, und lehnten es ab, polizeiliche Ermittlungen zu
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