Sündige Gier
kannst du ihn verteidigen? Er hat kaltblütig seine eigenen Eltern umgebracht.«
»Er ist angeklagt, sie getötet zu haben.«
»In der Zeitung stand, er hätte sie in Stücke gehackt.«
»Ein sogenanntes >Hassverbrechen<. Ich habe die Schlagzeilen auch gelesen«, ergänzte er trocken. »Hoffentlich haben es die zukünftigen Geschworenen nicht getan.«
»Er wurde als notorischer Unruhestifter beschrieben.«
»Stimmt. Aber Schulschwänzen, Gras rauchen, Gelegenheitsdiebstähle und ein paar Raufereien sind ein ganz anderes Kaliber als ein Doppelmord. Außerdem ist er ein Flegel, ein Stänkerer mit ausgeprägtem Minderwertigkeitskomplex und Menschenhass. Er hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er weder von mir noch von meinen Bemühungen viel hält.«
»Stimmt es, dass du auf dein Honorar verzichtet hast?«
»Ja.«
»Warum?«
»Weil auch dieser Flegel und Stänkerer eine bessere Verteidigung verdient als die halbherzigen Scheingefechte eines Pflichtverteidigers, der nur sein Standardprogramm abspult, während er insgeheim mit der Anklage übereinstimmt. Und weil dieser Junge, für den sich noch nie jemand eingesetzt hat, hingerichtet wird, wenn ich ihm nicht das Leben retten kann.« Sie wollte etwas einwenden, doch er kam ihr zuvor. »Julie?«
»Was ist?«
»Wenn wir weiter über den Connor-Fall sprechen, werden wir uns streiten.«
Sie wusste, dass er recht hatte. »Wahrscheinlich sollten wir lieber über meinen Fall sprechen. Nachdem du dich inzwischen zu meinem Anwalt ernannt hast.«
»Ich hatte den Eindruck, dass du einen brauchen könntest.«
»Danke dafür.« Sie zog eine Braue hoch. »Ich nehme nicht an, dass du auch bei mir auf dein Honorar verzichten wirst.«
Er grinste. »Dir berechne ich das Doppelte.«
Obwohl sie sich bemühten, locker zu bleiben, durchdrang ihr gemeinsames Problem das heimelige Zimmer wie ein unangenehmer Geruch. »Als du bei mir zu Hause aufgetaucht bist, sagte Kimball zu Graham, du wärst ihnen von dem Motel aus gefolgt, in dem Billy Duke gewohnt hatte.«
»Richtig.«
»Was wolltest du dort?«
»Dodge hatte ihn für mich aufgespürt. Er rief mich an. Ich rief Sanford an. Er und Kimball rasten hin, und beide waren nicht besonders froh, uns dort zu sehen. Noch frustrierender war, dass Duke sein Zimmer inzwischen geräumt hatte. Und zwar gründlich. Kein Müll und keine Spur von ihm war da.«
»Genauso wenig wie von Creighton.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe sie sogar den DVD-Player überprüfen lassen. Leer.«
»Es gibt also keine Verbindung zwischen ihm und Billy Duke.«
»Sieht nicht danach aus.«
»Dafür kann die Polizei eine Verbindung zwischen Billy Duke und mir ziehen.«
»Du hast gesagt, du wolltest nicht mehr darüber sprechen.« Er nahm die Füße von dem Hocker und hievte sich aus dem Sessel. »Willst du nicht versuchen zu schlafen?« Er nickte zum Schlafzimmer hin. »Ich nehme das Sofa.«
»Willst du vorher ins Bad?«
»Danke.«
Er verschwand hinter der Doppeltür.
Weil sie nicht wusste, was sie mit sich anfangen sollte, trat sie ans Fenster und kippte die Lamellen der Holzjalousie. Der Nachthimmel war klar. Der Mond dreiviertel voll. Die Straße lag still da, ohne dass sie jemand beobachtet hätte, soweit sie das feststellen konnte.
Derek kam wieder aus dem Schlafzimmer. »Es gehört dir.«
Sie schloss den Fensterladen und drehte sich um. »Ich musste eben daran denken, dass Creighton uns in der Gewitternacht hierher gefolgt ist. Er könnte auch jetzt da draußen warten. Ich finde die Vorstellung furchtbar, dass er mich, dass er uns beobachten könnte. Er ist nicht mehr nur lästig, Derek. Anfangs ging er mir nur auf die Nerven, inzwischen empfinde ich ihn als Gefahr.«
»Hat er dich vor dem Zwischenfall heute in der Galerie jemals bedrängt?«
»Nicht in dem Maße. Im Christy’s hat er seine Hand um meinen Arm gekrallt und mich an die Wand gepresst. Das heute war anders. Das war nicht nur grob, das war wirklich bedrohlich.«
»Bei unserer Begegnung in Athens wirkte er nur überheblich und sarkastisch. Er ließ ein paar Warnungen fallen und wollte Muskeln zeigen, aber Maggie umzubringen war ein echter Sprung. Ich habe Dodge gefragt, ob er vielleicht eine Jugendstrafakte ausgraben könnte. Er hat mir versprochen, er würde es versuchen, aber er war nicht allzu optimistisch.«
Julie hatte sich noch einmal alles durch den Kopf gehen lassen, was sie über Creighton wussten. »Du weißt doch, dass man sagt, Serienkiller würden immer
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