Sündige Rache
auf der Treppe an ihnen vorbeigegangen waren, bis sie zu ihm sagte: »Wie kommst du dazu, ganz alleine hier im Haus herumzuschnüffeln? Dies ist ein offizieller Polizeieinsatz und ich kann nicht zulassen, dass mir eine Zivilperson bei meiner Arbeit in die Quere kommt.«
»Ich habe mich in meiner Funktion als dein Assistent in den Zimmern umgesehen«, kam seine postwendende Antwort. »Übrigens waren sämtliche anderen Türen und Fenster des Hauses gesichert. Das Alarmsystem ist eins aus meiner Produktion, und zwar eins der besten. Es wurde nicht manipuliert. Wer auch immer sich Zugang zu dem Haus verschafft hat, hat den Code gekannt. Die Kontrollstation für die Überwachungskameras habe ich ebenfalls bereits entdeckt«, fuhr er unbekümmert fort. »Feeney wird feststellen, dass auch dieses System einfach ausgeschaltet worden ist. Nach sieben Uhr wurden garantiert keine Aufnahmen mehr gemacht.«
»Ganz schön umtriebig.«
»Wer, ich oder dein Killer?«
»Haha. Er bricht nicht in Panik aus, er lässt sich Zeit, er verwischt sämtliche Spuren. Und all das tut er, während er vor Zorn beinahe explodiert. Ist sicher ein verdammt guter Polizist.«
Sie trat durch die ihr von Roarke gewiesene Tür in ein großes Arbeitszimmer, durch dessen rückwärtige Glasfront man einen phänomenalen Ausblick auf den Ozean genoss.
Hier deutete einiges darauf hin, dass jemand in Eile gewesen war. Hier war vieles nicht an seinem ursprünglichen Platz. Auf dem Schreibtisch lag ein umgekipptes Glas, dessen Inhalt auf der gebürsteten Chromplatte verlaufen war. Ein unordentlicher Diskettenberg türmte sich auf dem Tisch, und auf dem Boden lag ein Haufen Kleider, darunter der Anzug, in dem Bayliss bei Chief Tibble vorstellig geworden war.
»Er hat ihn hier betäubt, und zwar von vorne«, fing sie laut zu denken an. »Hat ihn bei der Arbeit überrascht. Bayliss hatte sich einen Drink gemixt.« Sie hob das Glas an ihre Nase und schnupperte daran. »Riecht nach Scotch. Dann hat er sich hingesetzt, um seine Disketten durchzusehen. Er hört ein Geräusch, hebt den Kopf, sieht jemanden in der Tür. Springt auf, verschüttet seinen Drink. Vielleicht hat er sogar noch Zeit, einen Namen zu sagen, aber dann ist es schon geschehen.«
Sie ging durch das Zimmer und trat hinter den Tisch. »Der Killer zieht ihn hier drinnen aus. Sein Plan steht bereits fest. Er ist die Treppe raufgekommen und hat sich gründlich umgesehen. Verdammt, möglicherweise war er vorher schon zu Partys eingeladen und kennt sich deshalb gut aus. Dann ist er noch mal rausgegangen, hat die Überwachungskameras ausgeschaltet und die Disketten rausgenommen, auf denen er zu sehen ist. Hatte er das Klebeband dabei?«
Nacheinander zog sie sämtliche Schubladen des Schreibtischs auf. »Nein, guck hier. Das ist eine Rolle von demselben Zeug. Noch zu. Alles, was er brauchte, war direkt hier in Bayliss' Büro. Den Rest der Rolle und das Schneidewerkzeug hat er anschließend entsorgt. Wir werden nichts davon mehr finden.«
»Lieutenant«, bat Roarke mit ruhiger Stimme. »Sieh dir die Disketten an.«
»Das mache ich schon noch. Dann hat er Bayliss die Treppe raufgetragen. Er ist stark. Das Opfer hat keine Spuren aufgewiesen, die darauf hingedeutet hätten, dass er es hinter sich hergezogen hat. Es hatte nirgends blaue Flecken, und die Fersen wiesen keine Abschürfungen auf. Dann hat er ihn in die Wanne gelegt. Er hat ihn nicht geworfen. Wenn er ihn geworfen hätte, hätte er ihm Hämatome zugefügt. Hat ihn erst lang ausgestreckt und ihn anschließend gefesselt. Dazu hat er selber seine Schuhe ausgezogen, die Kleider aber nicht. Wenn er seine Schuhe anbehalten hätte, hätte ich in der Wanne irgendwelche Kratzer sehen müssen, und wenn er seine Kleider ausgezogen hätte, hätte er im Anschluss an die Tat nicht alles voll getropft.«
Ja, sie sah es deutlich vor sich. Während ihn der Zorn von innen aufgefressen hatte, hatte er geduldig seine Tat vollbracht. Er hatte seine mörderische Wut hinter Gründlichkeit versteckt.
Dann hatte er darauf gewartet, dass Bayliss wieder zu sich kam, und als dieser wieder wach geworden war, wahrscheinlich sogar noch ein kurzes Gespräch mit ihm geführt.
Das ist der Grund, aus dem du sterben wirst. Das ist der Grund, aus dem du es verdient hast, dass du stirbst.
Aus dem du es verdient hast, Angst zu haben und die Erniedrigung zu spüren, die du durch mich erfährst.
Und dann dreht er das Wasser auf, möglichst heiß, und hört, wie Bayliss um sein
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