Sündige Rache
am besten konnte. Sie versetzte sich in den Mörder hinein.
»Er taucht erst auf, nachdem der Club bereits geschlossen hat. Er ist schon vorher hier gewesen. Er kennt die Örtlichkeit und weiß, was es für Sicherheitssysteme gibt. Womöglich hat er hier gearbeitet. Falls ja, und falls er letzte Nacht Dienst hatte, ist er zusammen mit anderen gegangen. Es gibt niemanden, der weiß, dass er noch mit Kohli allein gewesen ist.«
Sie lief durch die Trümmer zur Bar.
»Er setzt sich an die Theke und bestellt sich einen Drink. In freundlichem, völlig normalem Ton. Sie haben etwas zu besprechen, das niemand sonst hören soll.«
»Warum hat er Kohli nicht gebeten – oder wenn nötig, gezwungen –, die Überwachungskameras auszuschalten?«, fragte Roarke.
»Die Kameras waren ihm völlig egal. Er hat sich selbst darum gekümmert. Als er fertig war. Schließlich war er angeblich nur auf einen kurzen Drink mit einem Freund vorbeigekommen, auf ein nettes Gespräch. Nichts, was Kohli hätte argwöhnisch werden lassen. Kohli holt sich selbst ein Bier, bleibt hinter der Theke stehen. Er fühlt sich wohl. Isst ein paar Nüsse. Der Typ ist ihm bekannt: Wahrscheinlich haben sie früher schon ab und zu gemeinsam was getrunken.«
Sie hob den Kopf, spähte auf die Kameras und meinte: »Kohli macht sich ebenso wenig Gedanken darüber, dass er mit seinem Gast aufgenommen wird. Entweder haben sie also über nichts gesprochen, das ihn in Schwierigkeiten bringen könnte, oder er hatte die Geräte selbst vor Auftauchen des anderen Typen ausgestellt. Die ganze Zeit sitzt der Kerl nun hier an der Theke und überlegt, wie er die Sache angehen soll. Dann spaziert er gemütlich hinter die Bar und nimmt sich selbst etwas zu trinken.«
Sie trat hinter den Tresen und sah alles genau vor sich. Kohli, groß, muskulös, lebendig, in seiner aus einem schwarzen Hemd und einer schwarzen Hose bestehenden Arbeitsuniform. Er nippt an einem Bier, wirft sich ein paar Nüsse in den Mund.
»Das Blut rauscht in seinem Kopf, und sein Herz schlägt bis zum Hals, aber er lässt sich nicht anmerken, wie aufgeregt er ist. Vielleicht macht er einen Scherz oder bittet Kohli, ihm irgendwas zu geben. Einfach, damit er ihm für eine Sekunde den Rücken zuwendet. Lange genug, damit er sich den Knüppel schnappen und ihm damit eins über den Schädel geben kann.«
Eine Sekunde, länger hatte er dafür sicher nicht gebraucht. Eine Sekunde hatte ihm genügt, um die Hand um den Metallschläger zu legen, ihn unter der Bar hervorzureißen und auf Kohli einzudreschen, überlegte sie.
»Die Wucht des ersten Schlages lässt seine Arme bis hinauf zu seinen Schultern schmerzen. Blut spritzt, und Kohli kracht mit dem Gesicht gegen den Spiegel. Flaschen zerbersten, es klingt wie eine Explosion.
Eine Explosion«, wiederholte sie und sah Roarke aus zusammengekniffenen Augen an. »Sie hallt in seinem Kopf. Bringt sein Blut in Wallung, löst einen Adrenalinschub bei ihm aus. Jetzt hat er den ersten Schritt gemacht, jetzt gibt es kein Zurück mehr. Er schwingt den Schläger noch einmal und trifft Kohli diesmal seitlich. Es tut ihm gut, Kohlis Gesicht zu sehen, den Schmerz und das Entsetzen, bevor er zusammenbricht. Der dritte Schlag lässt Kohli Schädel platzen wie ein Ei. Blut und Hirnmasse spritzen heraus. Aber es ist immer noch nicht genug.«
Sie hob beide Hände, legte sie um einen imaginären Schläger und holte kraftvoll aus. »Er will ihn völlig auslöschen. Er schlägt wieder und wieder zu, und das Krachen der Knochen klingt in seinen Ohren wie Musik. Schwillt ständig lauter an, versetzt ihn in einen regelrechten Rausch. Er schmeckt Blut. Er beginnt vor Anstrengung zu keuchen. Als er endlich innehält, als er wieder anfängt zu denken, zieht er Kohlis Dienstausweis aus seiner Tasche und taucht ihn in das Blut. Ich bin mir ganz sicher, dass das Blut auf seinem Ausweis etwas zu bedeuten hat. Dann rollt er die Leiche herum und legt sie so, dass sie direkt auf dem Ausweis liegt.«
Sie hielt einen Moment lang inne. »Er ist blutbedeckt. Seine Hände, seine Kleider, seine Schuhe. Aber hier im Club ist kaum etwas davon zu sehen. Er hat sich umgezogen und gesäubert. Die Spurensicherung hat Spuren von Kohlis Blut, Haut und Hirnmasse im Abfluss der Spüle hinter der Bar entdeckt.«
Sie drehte sich um, blickte auf die mit Puder bestäubte Schüssel hinter dem Tresen und fuhr fort: »Er hat sich hier, die Leiche im Rücken, sauber gemacht. Kalt. Eiskalt. Dann ist er
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