Sündige Rache
aufzuheben«, fragte Eve mit böser Stimme, und ein Gefühl von Übelkeit stieg in dem armen Harmon auf.
»Madam. Das kann nicht länger als zehn Sekunden gedauert haben, der Mann hatte Fußfesseln, und wir hatten ihn die ganze Zeit im Blick.«
»Lassen Sie mich Ihnen etwas zeigen, Harmon. Das können Sie an Ihren Partner weitergeben, wenn er damit fertig ist, sich einen runterzuholen nach der Begegnung mit dieser wunderbaren Frau.« Sie winkte den Sanitäter an die Seite. »Sehen Sie diesen kleinen, runden roten Fleck direkt über dem Herzen dieses Mannes?«
Der Fleck war kaum zu sehen, da Harmon jedoch inzwischen völlig panisch war, schob er sein Gesicht nahe an Lewis' Brust heran. »Ja, Madam.«
»Wissen Sie, was das ist, Officer?«
»Nein, Madam. Nein, Madam, das weiß ich nicht.«
»Das ist der Abdruck einer Spritze. Ihre unglückliche junge Dame hat den Ihnen anvertrauten Mann direkt vor Ihrer gottverdammten Nase kaltblütig umgebracht.«
Sie ließ das gesamte Gebäude nach der Frau durchsuchen, die ihr von Harmon beschrieben worden war, aber, wie nicht anders zu erwarten, war diese längst getürmt. Also rief sie ein Team der Spurensicherung herbei, um die Ermittlungen in einem neuerlichen Mordfall einzuleiten, und machte sich die Freude, Canarde persönlich zu verhören, der genauso arrogant und widerlich wie am Vortag war.
»Sie wussten, dass er auspacken wollte, oder?«
»Ich habe keine Ahnung, was Sie damit sagen wollen, Lieutenant.« Canarde saß in Verhörraum drei des Hauptreviers und sah sich betont gelangweilt seine sorgfältig gepflegten Fingernägel an. »Aber ich möchte Sie daran erinnern, dass ich freiwillig hier sitze. Ich war heute Morgen nicht mal in der Nähe meines unglücklichen Mandanten. Und bisher können Sie nicht mal sicher sagen, ob er nicht vielleicht eines natürlichen Todes gestorben ist.«
»Ein gesunder Mann von nicht mal fünfzig Jahren, der urplötzlich einen Herzinfarkt bekommt. Wirklich praktisch, vor allem, da der Staatsanwalt bereit war, ihm Immunität zu gewähren, wenn er dafür gegen Ihre anderen Mandanten aussagt.«
»Falls man ihm Immunität angeboten hat, ist mir das nicht bekannt, Lieutenant. Über ein solches Angebot hat mich niemand informiert. Da ich jedoch der Anwalt des Verstorbenen war, hätte man ihm ein solches Angebot nur in meiner Gegenwart oder zumindest über mich unterbreiten dürfen, das ist Ihnen doch wohl klar.«
Er hatte kleine Zähne, perfekte kleine Zähne. Die er zeigte, als er seine Lippen zu einem Lächeln verzog. »Es hat also den Anschein, als ob sich irgendjemand, höchstwahrscheinlich Sie, nicht an die vorgeschriebenen Verfahrensweisen gehalten hat. Und, oder vielleicht besser aber, das hat meinem Mandanten letztendlich nicht das Mindeste genützt.«
»Da haben Sie Recht. Sie können Ihren anderen Mandanten darüber informieren, dass er mich durch sein Vorgehen in höchstem Maß verärgert hat. Und dass ich noch härter und noch besser arbeite, wenn ich verärgert bin.«
Canarde bedachte sie erneut mit seinem schlangen-gleichen Lächeln. »Das ist meinem Mandanten völlig egal. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden. Ich muss meine Pflicht gegenüber dem unglücklichen Mr Lewis erfüllen und seine Ex-Frau sowie seinen Bruder über sein Ableben informieren. Und falls Sie tatsächlich mit der Vermutung richtig liegen, dass der arme Mr Lewis keines natürlichen Todes gestorben ist, werde ich seiner Familie raten, die New Yorker Polizei wegen Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht und fahrlässiger Tötung zu belangen. Es wäre mir ein überaus großes persönliches Vergnügen, sie in dem Zivilverfahren zu vertreten.«
»Ich wette, er muss Sie nicht einmal bezahlen, Canarde. Er wirft Ihnen einfach einen Fisch hin, und Sie springen, quietschen und tauchen, um ihn zu bekommen, freiwillig in den Schlamm.«
Auch wenn sein Mund noch immer lächelte, schwand doch die Belustigung aus seinem Blick. Er stand auf, nickte Eve kurz zu und verließ den Raum.
»Ich hätte damit rechnen müssen«, erklärte Eve ihrem Commander. »Ich hätte mir denken müssen, dass Ricker auch bei uns und im Büro des Staatsanwalts irgendwelche Informanten sitzen hat.«
»Sie haben nichts falsch gemacht.« Whitneys Entschlossenheit, sich hinter seine Untergebene zu stellen, wurde von einem Gefühl der Verärgerung über das Vorgefallene genährt. »Sie haben nur die Menschen, die Sie davon in Kenntnis setzen mussten, über das Vorhaben, Lewis als
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