Sündige Seide: Roman (German Edition)
melancholischem Kopfschütteln. »Die Scheidung wird seiner Karriere gar nicht guttun. Er ist prominent. Und er ist dick mit seinen Schwiegerleuten und ihren Freunden im Geschäft. Mein Gott, das gibt ein Chaos. Er muß sich absichern und den richtigen Moment abwarten. Bis dahin muß ich mich gedulden und darauf warten, daß wir endlich zusammensein werden.«
Claire war weniger optimistisch, wollte sich aber nicht weiter auf eine Diskussion einlassen, weil sie müde war und Yasmine ihr nicht in der richtigen Verfassung dafür schien, so daß sie einen hilfreichen Ratschlag nicht als Bevormundung mißverstanden hätte.
Claire erhob sich von ihrem Barhocker. »Hoffentlich liegst du damit richtig. Reden wir morgen weiter darüber. Ich bin müde. Gute Nacht.«
»Gut. Aber noch was anderes: Dieser Cassidy, hat der eigentlich einen Vornamen?«
»Keine Ahnung.« Claire schaltete auf dem Weg in ihr Schlafzimmer das Licht im Flur aus. Yasmine ließ sich davon nicht aus dem Konzept bringen. Sie folgte Claire wie ein lästiges Hündchen.
»Warst du die ganze Zeit so kühl und herablassend?«
»Ich war gastfreundlich.«
»Hat er gemerkt, daß du ihn anschwindelst?«
Claire blieb augenblicklich stehen und drehte sich auf dem Absatz um. »Was soll das heißen?«
»Du bist verdammt gut im Haarespalten, Claire, aber ich hatte nicht den Eindruck, daß sich Mr. Cassidy so von einer Frau abspeisen läßt.«
»Ich bin überzeugt, daß er mich nicht als Frau gesehen hat. Er war in einer offiziellen Angelegenheit hier.«
»Er ist ziemlich lang geblieben.«
»Er hatte viele Fragen.«
»Hattest du auf jede eine Antwort?«
Wieder sah Claire ihre Freundin durchdringend an. »Nicht auf jede. Er wollte wissen, was ich mit dem Mord an Jackson Wilde zu tun habe, aber da gibt es keine Verbindung.«
»Findest du Cassidy sexy?« fragte Yasmine.
»Ich habe mich nicht für sein Aussehen interessiert.«
»Ich mich schon. Er ist irgendwie düster, aber das macht ihn sexy. Meinst du nicht auch?«
»Keine Ahnung.«
»Ich wette, er fickt mit offenen Augen und zusammengebissenen Zähnen. Mir wird ganz heiß, wenn ich nur dran denke.«
Yasmine versuchte, sie zu provozieren. Claire ließ sich nicht ködern und trat in ihr Schlafzimmer. »Ich dachte, du bist verliebt.«
»Das bin ich auch. Aber ich bin nicht blind und auch nicht tot.« Durch die geschlossene Tür rief Yasmine: »Und selbst wenn du Mr. Cassidy und jedem anderen Mann weismachen möchtest,
du trägst Höschen aus Eis – du bist es auch nicht, Claire Laurent.«
Während Claire darauf wartete, daß sich Yasmines Schritte entfernten, blickte sie in den Spiegel auf der Schranktür. Im Gegensatz zu sonst sah sie erregt, verwirrt und verängstigt aus. Und Mr. Cassidy war schuld daran.
Kapitel 6
Andre Philippi hatte zu Ende gegessen und legte das Besteck ordentlich auf den Tellerrand. Er tupfte sich den Mund mit der gestärkten Leinenserviette ab, faltete sie zusammen und legte sie auf den Tisch. Dann läutete er zum Abräumen nach dem Zimmerkellner. Der Entenbraten war etwas trocken, die Vinaigrette ein kleines bißchen zu sauer gewesen, und der frische, kalte Spargel hatte eine Spur zuviel Estragon abbekommen. Er würde dem Küchenchef eine Aktennotiz schicken.
Als Nachtmanager des Fairmont-Hotels, New Orleans, erwartete Andre Philippi von allen Beschäftigten Höchstleistungen. Unzulänglichkeiten durfte es einfach nicht geben. Unhöflichkeit oder Schlamperei führten zur fristlosen Kündigung. Andre vertrat die Auffassung, daß Hotelgäste wie Ehrengäste in einem Palast behandelt werden sollten.
In der kleinen Toilette neben seinem Büro wusch er sich die Hände mit französischer Seife, gurgelte zum Schutz vor Mundgeruch mit Mundwasser und trocknete sich penibel den bleistiftdünnen Schnurrbart und die Lippen ab. Er strich sich mit den Händen das eingeölte Haar glatt, das er sich hauptsächlich deshalb streng aus der höher werdenden Stirn kämmte, weil es so am ordentlichsten wirkte und er dadurch seine Naturlocken am besten glätten konnte.
Immer darauf bedacht, die Unkosten des Hauses zu senken, schaltete er gewissenhaft das Licht in der Toilette aus und ging zurück in sein Büro. Normalerweise stand jemandem in seiner Position kein eigenes Büro zu, aber Andre war der Dienstälteste im Haus, die Aufsichtsräte eingeschlossen.
Und er war verschwiegen wie ein Grab.
Im Laufe der Jahre waren ihm immer wieder Vergünstigungen gewährt worden, weil seine
Weitere Kostenlose Bücher