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Sündige Seide: Roman (German Edition)

Sündige Seide: Roman (German Edition)

Titel: Sündige Seide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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grollte ihm noch immer. Der Mord an Wilde hatte ein schlechtes Licht auf das Hotel geworfen. Kein Hotel konnte garantieren, daß so etwas in seinen Räumen nicht geschah, allen Sicherheitsvorkehrungen zum Trotz. Dennoch hatten ein paar ortsansässige Journalisten die Frechheit besessen, das Hotel als mitverantwortlich zu beschuldigen.
    Nun, darum kümmerten sich inzwischen die Anwälte. Das fiel nicht mehr in Andres Bereich. Aber ihn schauderte immer noch, wenn er sich an das Chaos erinnerte – wie sich in der ehrwürdigen Lobby Polizisten und Reporter gedrängt und zu Recht entrüstete Gäste belästigt hatten, die man wie Verdächtige verhört hatte. Es war ihm vorgekommen, als wäre eine adlige Witwe unter die Straßenräuber geraten.
    Den Behörden mußte doch klar sein, daß jemand von der Straße hereingekommen, mit dem Lift in den siebten Stock gefahren und von Wilde in seine Suite gelassen worden war. Nach dem Mord war der Mörder auf dem gleichen Weg verschwunden, ohne daß jemand auf ihn aufmerksam geworden wäre. Durfte man deshalb alle, die in dieser Nacht im Hotel zu Gast gewesen waren, wie Verdächtige behandeln? Hatte die Polizei das Recht, jedermann zu verdächtigen? Andre glaubte das nicht. Deshalb bereitete es ihm keine Gewissensbisse, die zu beschützen, die unmöglich mit Jackson Wilde Streit gehabt haben konnten.
    Routinemäßig hatte die Polizei auch ihn verhört. Niemand schien seine Aussage anzuzweifeln. Bei Mr. Cassidy lag die
Sache jedoch anders. Er war gründlicher und verbissener gewesen als der schmuddelige Detective mit den zwei Vornamen. Cassidy hatte Andre nicht direkt als Lügner bezeichnet, aber der Staatsanwalt schien zu wissen, daß er Informationen zurückhielt.
    Cassidy würde jedenfalls mit keiner Taktik etwas aus Andre herauskriegen. Es war seine Maxime, keine Informationen preiszugeben, die einen von ihm respektierten Menschen kompromittieren könnten. Fakten, die nichts mit dem Mord an Reverend Jackson Wilde zu tun hatten, gingen Mr. Cassidy nichts an.
    Mr. Cassidy stammte nicht aus New Orleans. Er war der irrigen Meinung, das Gesetz sei absolut, starr und für jeden gültig. Bestimmt glaubte er, daß vor dem Gesetz alle gleich waren. Offenbar kannte er den Ehrenkodex nicht, der in New Orleans herrschte. Auswärtige mochten ihn nicht verstehen und befolgen, Andre dagegen tat beides.
     
    Als Claire in die Küche kam, saß ihre Mutter allein am Frühstückstisch. Sie war angezogen und hatte Make-up aufgelegt. Ein ermutigendes Zeichen. An manchen Tagen schaffte es Mary Catherine nicht einmal aus dem Bett, so gefangen war sie in ihren Depressionen.
    »Hmm. Der Kaffee riecht gut, Mama«, bemerkte Claire, während sie sich die Ohrringe anklipste.
    »Guten Morgen, Liebling. Hast du gut geschlafen?«
    »Ja«, log Claire. Sie rührte Sahne in ihren Kaffee, schaute über die Schulter und lächelte ihre Mutter an. Ihr Lächeln gefror, als sie das vertraute Gesicht auf dem Bildschirm des tragbaren Fernsehers in der Etagere sah. Ein Nachrichtensender war eingestellt.
    »Sie sollte nicht so schreien«, bemerkte Mary Catherine. »Es wirkt so vulgär. Eine Dame sollte sich um eine angenehme Stimme bemühen.«
    Ariel Wilde war umzingelt von Reportern; alle wollten ihre neuesten und immer heftigeren Attacken auf die Behörden der
Stadt, des Bezirks und des Staates übertragen, die sich immer noch weigerten, den Leichnam ihres Gatten zur Überführung nach Nashville freizugeben.
    Claire ließ sich langsam ihrer Mutter gegenüber nieder. Sie achtete eher auf Mary Catherine als auf den Fernseher.
    »Mrs. Wilde sollte ihren Mann so schnell wie möglich begraben dürfen«, erklärte Mary Catherine. »Obwohl es nicht leicht ist, mit so unliebenswürdigen Menschen Mitleid zu haben.«
    »Warum findest du sie unliebenswürdig, Mama?«
    Mary Catherine sah sie verdutzt an. »Aber Claire, hast du vergessen, was dir dieser Prediger für Schwierigkeiten gemacht und welche Gemeinheiten er über dich verbreitet hat? Er war ein abscheulicher Mensch, und seine Frau ist offenbar nicht besser.«
    Sie hat einen klaren Tag, dachte Claire. An diesen seltenen Tagen war Mary Catherine vollkommen vernünftig und begriff, was um sie herum vorging. Wenn ihre Augen so leuchteten und ihre Stimme so überzeugend klang, konnte man leicht vergessen, daß sie manchmal anders war.
    Die momentane Verfassung ihrer Mutter schien Claire günstig, um sich von einer Sorge zu befreien, die seit Cassidys Besuch auf ihr

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