Sündige Sommernächte - Kent, A: Sündige Sommernächte
die Treys Leben auf den Kopf stellten, denn in dieser Zeit entdeckte er in dem Karton mit den Papieren seines Vaters einen Zeitungsausschnitt, der ihn völlig aus der Bahn warf.
Benommen stand er auf, außerstande, noch einen klaren Gedanken zu fassen, und vollkommen überrascht, plötzlich auf das gestoßen zu sein, wonach er gesucht hatte – den Grund für den Streit zwischen Aubrey und Jeb.
Und dieser Grund hatte nichts mit Geld zu tun.
Es ging um einen Mord.
Die Schlagzeile aus dem Jahr 1939 sagte alles: Verdächtiger Todesfall in Dahlia. Der Artikel lieferte die dazugehörigen Fakten. Die Leiche von Emmett Davis, Treys Urgroßvater, war vor dem Haus seines Freundes – Cardins Urgroßvater – Orin Worth gefunden worden. Obwohl Trey wusste, dass die beiden während der Prohibition eine Schwarzbrennerei betrieben hatten, wurde dieses illegale Unternehmen in dem Artikel mit keinem Wort erwähnt.
Die Polizei führte die Kopfverletzungen, die zuEmmetts Tod geführt hatten, auf einen Sturz zurück, was der Geschichte entsprach, die Trey sein ganzes Leben lang zu hören bekommen hatte. Doch darüber hinaus lieferte der Zeitungsartikel Fakten, die ihm bisher unbekannt gewesen waren. Eine Zeugin, deren Name nur mit „Trixie“ angegeben war, wurde mit den Worten zitiert: „Bei Emmetts Sturz hat jemand nachgeholfen. Ich habe das Stück Holz gesehen, das ihn um die Ecke gebracht hat.“
Die Polizei ging dieser Behauptung, Emmetts Sturz sei kein Unfall, sondern Mord gewesen, nicht nach, weil die Frau wegen ihrer Vorliebe für dicke Zigarren, starke Männer und Schnaps nicht als zuverlässig galt.
An und für sich war der Zeitungsausschnitt ziemlich harmlos, doch Trey fand ihn beunruhigend. Es wurde kein Verdacht gegen irgendwen geäußert, nur die Umstände infrage gestellt, die zum Tod von Treys Urgroßvater geführt hatten. Doch die handschriftliche Bemerkung seines Vaters unter dem Artikel jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken.
Aubrey hatte geschrieben: Trixie = Mrs Orin Worth. Einerseits war Trey überrascht, dass sein Vater irgendwie herausgefunden hatte, was aus Cardins Urgroßmutter geworden war, andererseits fiel es ihm nicht schwer, das zu glauben, denn er hatte oft genug gehört, die Frau sei einfach verschwunden.
Was Trey besonders verstörte, waren die nachfolgenden Notizen, die Aubrey unter den Artikel geschrieben hatte, als wollte sein Vater seine Gedanken ordnen: Frag Jeb nach dem Mord, er kennt die Wahrheit. Bin sicher, er war da. Es gab keinen Hinweis darauf, wie Aubrey an den Zeitungsartikel gekommen war und ob noch andere Quellen zu seinen Schlussfolgerungen beigetragen hatten.
Momentan war es Trey auch gleichgültig, woher die Informationen stammten, denn die Notizen seines Vaters deuteten darauf hin, dass Cardins Großmutter recht gehabt hatte und dass Jeb die genauen Umstände des Mordes an Emmett kannte. Aber keiner der Männer hatte je ein Wort darüber verloren.
Trey steckte den Artikel ein und stürmte aus dem Haus zu seinem Pick-up. Die Fahrt bis zum Dahlia Speedway dauerte zwanzig Minuten. Sosehr er sich auch wünschte, endlich die Wahrheit zu erfahren, so sehr fürchtete er die bevorstehende Konfrontation.
Bis auf ein paar Bauarbeiter, die am Zaun hinter den Erfrischungsständen arbeiteten, den wenigen Autos, die dem Verwaltungspersonal gehörten und dem Betrieb in der Werkstatt von Morgan and Son’s, war der Speedway verlassen. Trey hatte keine Mühe, Jeb zu finden.
Der alte Mann hatte den Rennwagen mit EddiesQuad, einer Art Motorrad mit vier Rädern, zur Rennstrecke gefahren. Als er Trey entdeckte, winkte er ihn zu sich. „Steig auf.“
Die Unterhaltung, die zwischen ihnen fällig war, würden sie nicht unter dem Motorenlärm des Quads führen können. Da Trey nicht wusste, wie er anfangen sollte, zog er einfach den Zeitungsausschnitt aus der Tasche und hielt ihn Jeb hin.
Jeb las die Worte, die Aubrey unter den Artikel geschrieben hatte, dann stellte er den Motor aus. Die plötzliche Stille war erstickend und voll unausgesprochener Fragen und Vorwürfe. Trey steckte den Zeitungsausschnitt wieder ein. Jeb ließ die Schultern hängen und blickte in die Ferne.
Er schüttelte den Kopf, eine Geste, die zu besagen schien, dass er sich schon lange gefragt hatte, wann dieser Tag wohl kommen würde. „Lass uns erst dieses Rennen hinter uns bringen, bevor wir über die Sache reden.“
„Nein“, sagte Trey. „Es wird kein Rennen geben, ehe wir nicht darüber
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