Suendiger Hauch
glaube nicht, dass ich etwas besitze, das so weit unter Ihrem Niveau liegt, dass ich schockiert wäre, wenn ich es in Ihren Händen fände.«
Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihm den Band auszuhändigen, wenn auch zögerlich.
»William Harvey Über die Bewegungen des Herzens und des Blutes bei Tieren ?« Das Erstaunen stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
»Sie besitzen eine ansehnliche Sammlung von Büchern über Medizin und Kräuterheilkunde. Mister Harveys Werk ist zwar schon ein wenig veraltet, aber ich dachte, es könnte mir ein wenig Einblick geben in ...« Ein Blick auf seine Augenbrauen, die sich noch ein Stück gehoben hatten, ließ sie innehalten.
»In welches Thema wollten Sie noch ein wenig Einblick bekommen, Miss Gray? Warum, um alles in der Welt, sollte ein solches Buch Sie interessieren? Es entspricht wohl kaum der derzeitigen Mode.«
Sie fühlte, wie sie errötete. Seine Missbilligung war deutlich an seiner Haltung und seinem kühlen Blick zu erkennen.
Die Lektüre eines so anschaulich beschriebenen Themas war für eine Frau alles andere als schicklich. »Meine Schwester und meine Mutter sind an einem Fieber gestorben, als ich zehn Jahre alt war«, erklärte sie ihm wahrheitsgetreu und in der Hoffnung auf sein Verständnis. »Ich war völlig erschüttert. Und ich fühlte mich so ohnmächtig. Keiner der Ärzte konnte ihnen helfen. Niemand konnte es. Ein paar Jahre später habe ich begonnen, mich mit Kräutern und deren Heilwirkung zu beschäftigen. Deshalb interessiere ich mich so sehr für die Medizin.«
»Ich verstehe.« Dennoch fragte sie sich, ob er es als unpassend betrachtete, dass eine Dame sich mit einem solchen Thema befasste, wurde doch schon die bloße Erwähnung einzelner Körperteile üblicherweise mit einem Stirnrunzeln quittiert. Für eine junge, unverheiratete Frau war es zweifellos mehr als unangemessen, Abbildungen der menschlichen Anatomie zu betrachten und Abhandlungen über Arterien, Venen und den Blutstrom zu lesen.
Er gab ihr das Buch zurück. »Nun, über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Meine Bibliothek steht Ihnen für den Rest Ihres Aufenthaltes jederzeit zur Verfügung, Miss Gray«
»Danke, Mylord.«
Er verließ die Bibliothek, und sie sah ihn erst zum Abendessen wieder. Da Lady Beckford sich nicht wohl fühlte, speisten sie allein. Glücklicherweise hatte er, als sie den Salon betreten und er sie zum Speisezimmer geleitet hatte, seine gute Laune wiedergefunden und bedachte sie mit einem nachsichtigen Lächeln.
»Ich hoffe, Sie haben Gefallen an den Büchern gefunden.«
»Ja. Ich habe immer sehr gerne gelesen.«
»Sie sind eine ungewöhnliche junge Lady, Miss Gray Man trifft nur selten Damen, deren Interessen von Descartes bis hin zur Anatomie reichen.« Er brachte sie zu ihrem Platz an der mit Schnitzereien verzierten Tafel, die von silbernen Kandelabern beleuchtet wurde.
Kathryn nippte an dem Rotwein, den der Diener ihr serviert hatte. »Wofür interessieren Sie sich, abgesehen von der Philosophie, Mylord?«
Er hatte gerade sein kristallenes Weinglas an die Lippen heben wollen, hielt jedoch mitten in der Bewegung inne. Sein Blick glitt an der Wölbung ihrer Brüste entlang und blieb schließlich an ihrem Ausschnitt hängen, der den Blick auf ihr reizvolles Dekolletee freigab. Ihr stockte der Atem, und sie spürte ein leichtes Ziehen in der Magengegend.
Schließlich schien ihm sein Tun bewusst zu werden, und er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf ihr Gesicht. »Es gibt eine Vielzahl von Dingen, die mich interessieren, Miss Gray Ich beschäftige mich sehr gerne mit der Verwaltung meiner Güter. Ich genieße die Herausforderung, die Bewirtschaftung zu verbessern, und freue mich, wenn sich dies in unserer Ernte niederschlägt. Ich liebe Pferderennen und die Jagd. Und vor einiger Zeit habe ich angefangen, mich dem Boxsport zu widmen.«
»Ein Mann mit vielfältigem Geschmack also.«
»Ja, das könnte man sagen.«
»Sie scheinen außerdem ein sehr beschäftigter Mann zu sein.«
»Das bin ich in der Tat.«
»Zu beschäftigt, um Frau und Kinder zu haben? Ihre Tante erzählte mir, Sie seien noch unverheiratet.«
Er schluckte seinen Bissen gebratene Wachtel. »Hat Sie Ihnen auch berichtet, dass sich dieser Zustand bald ändern wird?«
Kathryn richtete sich ein wenig auf ihrem Stuhl auf. »Nein, • das muss sie wohl vergessen haben.«
»Tatsächlich, Miss Gray, bin ich mit Lady Allison Hartman verlobt. Wir werden in zwei Monaten
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