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Suendiger Hauch

Titel: Suendiger Hauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
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machen könnten, dass er bestimmt zu beschäftigt sein würde, um an der Hochzeit teilzunehmen.«
    Litchfield runzelte die Stirn. »Ob Lord Tinkerdon an der Hochzeit teilnimmt oder nicht, ist wohl kaum von großer Bedeutung. Er mag zwar sein gesamtes Vermögen verloren haben, doch er ist noch immer Mitglied der Aristokratie. Sie haben halb London eingeladen, also wird wahrscheinlich kaum jemand bemerken, ob er anwesend ist oder nicht.«
    Lady Allison, die neben Litchfield auf dem Sofa saß, nahm seinen Arm. »Bitte, Mylord. Wo sollten wir ihn bei der Hochzeitsfeier hinsetzen? Es könnte jemand anderen beleidigen und einen Zwischenfall heraufbeschwören. Es könnte etwas geschehen, das die Zeremonie stört, und das würden Sie doch bestimmt nicht wollen.«
    Einen Augenblick lang dachte Kathryn, er würde Lady Allisons lächerlicher Bitte Folge leisten, und begann bereits, ihre Meinung über ihn noch einmal zu überdenken. Doch stattdessen tätschelte er die behandschuhte Hand des Mädchens.
    »Es tut mir Leid, meine Liebe. Sie sind noch so jung. Irgendwann werden Sie lernen, dass sein Vermögen nicht immer das Wichtigste bei einem Menschen ist. Sie können mit Ihrem Vater noch einmal darüber sprechen, doch ich kann mir nicht vorstellen, dass er eine andere Meinung vertritt als ich. In der Zwischenzeit beschäftigen Sie sich vielleicht mit wichtigeren Dingen als dem Bankrott des armen alten Tinkerdon, ebenso wie ich es tun werde.«
    Beim Aufstehen warf er Kathryn noch einen kurzen Blick zu, bevor er in Richtung der Tür ging. »Ich hoffe, die Damen entschuldigen mich nun.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, durchquerte er den Salon und öffnete die Türen. Die Sonne traf auf sein glänzendes, schwarzes Haar, das er im Nacken zusammengebunden hatte. Ohne sich noch einmal umzudrehen, verschwand er in der Halle. Während sich seine Schritte entfernten, wurde Kathryn bewusst, dass sie ihn mehr und mehr respektierte. Gleichzeitig keimte in ihr der Verdacht, dass Lady Beckford mit ihrer Einschätzung der nahenden Hochzeit mehr als richtig lag.
    Lucien konnte nicht schlafen. Ständig begann er von diesem zerlumpten Geschöpf zu träumen, das sich im Gepäckkasten seiner Kutsche versteckt hatte. Er sah sie deutlich vor sich, heruntergekommen und verdreckt, doch mit einem Blick, der einer Königin würdig gewesen wäre.
    Doch dann begann der Traum zu verblassen, und er sah sie vor sich, wie sie nun war, mit einem hübschen Gesicht, schimmernder Haut, mit Augen in einem tiefen Moosgrün und üppigem, verheißungsvollem Mund. Sie trug ein Kleid aus feiner Seide und saß in einem luxuriös möblierten Salon mit einer Selbstverständlichkeit, als würde sie dorthin gehören. Lediglich das dicke Buch über die menschliche Anatomie, über Arterien, Venen und Blut, in dem sie las, schien nicht in diese Szenerie zu passen.
    Lucien schreckte hoch, noch immer verwirrt von seinen Träumen und den seltsam gegensätzlichen Bildern darin, und fragte sich, warum sie nicht zusammenpassten. Er ließ sich wieder auf das Kissen zurücksinken, noch immer ihr Bild vor Augen. Welches waren die Teile ihrer Geschichte, die fehlten? Wie viel hatte sie ihm verschwiegen? Sein Instinkt sagte ihm, dass sie ihm nur einen Teil der Wahrheit erzählt hatte. Wie viel also stimmte und wie viel war Lüge?
    Er nahm sich vor, der Wahrheit auf den Grund zu gehen, wie auch immer sie aussehen mochte. Er hatte seinen Kurier einen Tag früher losgeschickt, als er ihr gesagt hatte, und schon bald würde er eine Antwort auf seine Fragen bekommen.
    Draußen nahm der Wind merklich zu, er rüttelte an den Fenstern des Schlosses und ließ die herbstliche Kühle der Oktobernächte erahnen. Von einigen wenigen Wolken verschleiert, hing die schmale Mondsichel am nachtschwarzen Himmel. Lucien, der nackt zu schlafen pflegte, schwang die Beine aus dem Bett und schlüpfte in seinen schwarzen Morgenmantel. Wenn er schon keinen Schlaf fand, konnte er sich ebenso gut etwas zu lesen holen.
    Er zündete die Kerzen in dem Leuchter an, der auf der Kommode stand, und machte sich auf den Weg nach unten, blieb jedoch vor der Tür zur Bibliothek stehen, als er den schmalen, hellen Lichtstreifen darunter bemerkte. Tante Winnie las für gewöhnlich nicht sehr viel. Es gab nur einen Menschen, der um diese nachtschlafende Zeit in der Bibliothek sein konnte.
    Lucien öffnete die Tür, und seine Augen, die sich langsam an die schwache Beleuchtung im Raum gewöhnten, erkannten die schlanke Gestalt, die

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