Suendiger Hauch
gezwungen, nicht zu ihr zu gehen, in der Hoffnung, dass ihre sonst übliche gute Laune bald wieder zurückkehren würde. Doch bislang war dies nicht geschehen. Nachts, während er allein in seinem großen Himmelbett lag, schmerzte sein Körper vor brennendem Verlangen nach ihr, doch es war mehr als das. Er wollte einfach bei ihr sein, neben ihr liegen und sie halten, während sie schlief.
Der Gedanke, dass er mehr von seiner Frau wollte als nur ihre gelegentliche Gesellschaft und ihren Körper, machte ihm Angst. Trotzdem wurde ihm langsam klar, dass es so war. Er ertappte sich immer wieder dabei, dass er ihrer Stimme lauschte, ihrem warmen Lachen, während sie den Korridor entlangging. Während des Tages stand er am Fenster und sah auf den Garten hinaus, um einen Blick auf sie zu erhaschen und zu beobachten, wie die Sonne den warmen Braunton ihres Haares reflektierte.
Vor zwei Tagen hatte er ihr einen kleinen, in Leder gebundenen Band mit Sonetten von Shakespeare gebracht, in der Hoffnung, dass sie die Melancholie vertreiben würden, in die sie versunken war.
»Das ist für mich?« Sie schien höchst erstaunt darüber zu sein, dass er so etwas Kleines, Unbedeutendes für sie tat, ein Gedanke, der sie mehr als nur ein wenig irritierte.
Er räusperte sich. »Ich dachte ... hoffte, dass es dir gefällt. Du scheinst ein wenig abwesend zu sein in letzter Zeit.«
Er hätte schwören können, dass sich in diesem Augenblick ihre Augen mit Tränen gefüllt hatten. »Danke. Ich werde es in Ehren halten.« Sie hätte das Buch gedrückt und es gegen ihre Brust gehalten, als handele es sich um einen Gegenstand aus Gold und nicht aus Papier, und hatte ihm ein so süßes Lächeln geschenkt, dass er einen Stich in seinem Herzen gefühlt hatte.
Lucien trieb das Pferd in Richtung der offenen Felder, und der Hengst hielt auf die Steinmauer zu, die vor ihnen lag. Er war ein ausgezeichnetes Springpferd. Er glitt elegant über das Hindernis, woraufhin Lucien ihn wendete und auf die hohe Hecke zuritt, die den Bach begrenzte. Das Tier bewältigte den Sprung wie gewöhnlich routiniert und ganz im Stil des Champions, der er einmal gewesen war. Lucien tätschelte ihm anerkennend den Hals und dirigierte ihn wieder auf das Haus zu.
Zwei weitere Sprünge folgten. Es war ein herrliches Gefühl, in der warmen Frühlingsluft zu reiten und all seine irritierenden Gedanken an Kathryn hinter sich lassen zu können. Der Hengst näherte sich einer Steinmauer, die höher war als die anderen und die eine Herausforderung darstellte, der sich ein anderes Pferd sicherlich verweigert hätte, doch Lucien wusste, dass Blade das nicht tun würde. Während sie sich der Mauer näherten, bereitete sich das Pferd vor, und genau im richtigen Augenblick bog sich Lucien über den Hals des Pferdes, sodass sie beide über das Hindernis hinwegflogen. Sie waren schon beinahe auf der anderen Seite angekommen, als er ein merkwürdig schnappendes Geräusch hörte. Der Sattel bewegte sich unter ihm, rutschte zur Seite, und er fühlte, dass er in die Luft gehoben wurde.
Das Pferd kam aus dem Rhythmus und wäre fast neben ihm gelandet. Lucien blieb mit der Schulter an der hohen Steinmauer hängen und fühlte einen durchdringenden Schmerz. Genau in diesem Augenblick schlug sein Kopf auf dem Boden auf. Er kämpfte gegen die Dunkelheit, die ihn zu verschlingen drohte, dann verschwammen plötzlich die Konturen vor seinen Augen, und die Welt versank in tiefer Schwärze.
Er war sich nicht sicher, wie lange er ohne Bewusstsein war, eine Minute vielleicht oder zwei, nicht länger. Er kam schwankend auf die Beine, schüttelte den Kopf und lehnte sich gegen die Mauer, um Halt zu finden. Sein Kopf hämmerte, auf seiner Schulter bildete sich bereits ein Bluterguss, und seine Knöchel schmerzten, doch ansonsten war er unverletzt. Sein weißes Hemd war fast bis zur Taille hinab offen, und Jacke und Hose waren voller Schmutz und Blätter. Ein leises Wiehern veranlasste ihn, zu Blade hinüberzusehen, der ein paar Meter von ihm entfernt stand. Die Zügel hingen seitlich herab, und seine Flanken und Nüstern bebten. Sein Sattel lag unmittelbar neben dem Pferd auf dem Boden.
Ohne dem Schwindel weiter Beachtung zu schenken, ging Lucien zu seinem Pferd hinüber. Er redete mit sanfter Stimme auf Blade ein, strich über seine Flanken und tätschelte seinen Hals, während er ihn auf Verletzungen untersuchte. Dankbar, dass er keine Blessuren feststellen konnte, beugte er sich hinab zu dem
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