Suendiger Hauch
Es ist Ihre Pflicht, das zu tun, was in Lady
Kathryns Interesse liegt. Sind Sie ernsthaft der Überzeugung, dass ein Aufenthalt im St. Bartholomew’s einer Heirat mit dem Marquis of Litchfield vorzuziehen wäre?«
Ihr Onkel räusperte sich. Sein Gesicht war dunkelrot angelaufen, und seine Augen irrten im Raum umher wie die eines gefangenen Tieres. »Nun, nein, natürlich nicht, aber-«
»Dann ist die Angelegenheit also erledigt. Die Hochzeit findet statt, sobald eine Sondererlaubnis vorliegt.« Dunstan schwieg, doch der zornige Ausdruck in seinem Gesicht ließ darauf schließen, dass Kathryns Ermordung seinen Interessen weitaus mehr entgegengekommen wäre.
»In der Zwischenzeit werden Kathryn und ich - mit der Erlaubnis von Lord Litchfield - Seine Lordschaft nach Castle Running begleiten, wo wir uns bis zur Zeremonie aufhalten werden. Ich werde die Zeremonie selbst vornehmen, das bin ich Lady Kathryns Vater schuldig.«
Dunstan schloss den Mund so heftig, dass seine Zähne aufeinander schlugen. Mit einem kurzen Nicken wandte er sich um und verließ die Hütte. Sie konnte hören, wie er seinen Männern etwas zurief, woraufhin das Klirren der Steigbügel und das Knarzen der ledernen Sättel zu hören war, gefolgt vom leiser werdenden Klappern der Hufe, als er und seine Gefolgschaft in die Dunkelheit ritten.
»Meine Kutsche steht am Ende der Dorfstraße. Vielleicht, Lord Litchfield, möchten Sie mit mir hinausgehen, damit Lady Kathryn sich allein reisefertig machen kann.«
Lucien nickte nur. Es war schwer auszumachen, was er in diesem Augenblick dachte, da seine undurchdringliche, kontrollierte Miene keinerlei Rückschlüsse zuließ. Doch Kathryn konnte es sich durchaus vorstellen. Wäre es möglich gewesen, den Zorn in Flaschen abzufüllen, dann könnte der Marquis problemlos einen ganzen Keller bestücken. Brennender Schmerz loderte in ihrem Inneren auf, als sie an die Freund-schaft zwischen ihnen dachte, und an die leidenschaftlichen Küsse, die sie ausgetauscht hatten, bevor ihr Onkel aufgetaucht war.
Er würde sie heiraten, doch sie war sich nicht sicher, ob er ihr jemals vergeben würde. Sie hatte ihn auf gemeinste, hinterhältigste Weise betrogen, und es war offensichtlich, wie bitter diese Erkenntnis für ihn war.
Du wolltest nur das tun, was du tun musstest, sagte die Stimme in ihrem Kopf. Doch ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen bei dem Gedanken an die Schuld, die in ihrem Inneren tobte.
Außerdem war der Marquis nicht ein Mann, der einfach verzeihen konnte, daran musste sie nun ebenfalls denken.
Jason Sinclair saß auf dem Sofa im Roten Salon von Castle Running. Seine Frau hatte sich nervös neben ihn gesetzt. Sie waren wenige Minuten zuvor angekommen und sofort in den eleganten Salon gebracht worden. Reeves, Luciens langnasigen ausgesprochen ordentlicher Butler, hatte sie mit grimmiger Miene hereingeführt.
Velvet griff nach Jasons Hand. »Ich mache mir Sorgen, Jason. Irgendetwas Schlimmes muss passiert sein.«
Jason gab keine Antwort, sondern sah zu der geschnitzten Eichentür, die sich in diesem Augenblick öffnete. Er erhob sich vom Sofa, als sein bester Freund ins Zimmer trat und der Butler die Tür hinter ihm schloss. An dem harten Ausdruck in Luciens Gesicht konnte Jason erkennen, dass seine Frau Recht gehabt hatte.
»Wir sind so schnell wie möglich gekommen, nachdem uns deine Nachricht erreicht hat.« Jason ging auf ihn zu. »Du hast geschrieben, es sei wichtig. Offensichtlich ist etwas passiert. Ich hoffe, es hat nichts mit Lady Kathryn zu tun.«
Luciens Mundwinkel hob sich kaum merklich in dem Versuch, ein kleines Lächeln zustande zu bringen. »Du hast Recht, mein Freund. Es ist etwas passiert, und es hat tatsächlich mit Lady Kathryn Grayson zu tun.«
Velvet erhob sich ebenfalls. »Guter Gott, sie haben sie doch nicht etwa in der Hütte entdeckt?«
Seine Züge schienen sich zu verhärten. »Nicht direkt.« Er ging zur Anrichte hinüber und goss sich einen Drink ein. Seine Bewegungen waren knapp und präzise, woran Jason das Ausmaß seiner Wut erkennen konnte. Außerdem war er formeller gekleidet als sonst, insbesondere für einen frühen Nachmittag. Sein dunkelblauer Samtrock und die eng anliegenden Satinhosen saßen wie angegossen, während die weißen Spitzenbänder an seinen Manschetten sich deutlich gegen seine dunklen, langen Finger abhoben. Sein zurückgekämmtes Haar war gepudert.
»Möchte einer von euch auch einen Drink, einen Brandy oder Sherry vielleicht?«
Jason
Weitere Kostenlose Bücher