Suendiger Hauch
keine Unterschrift, doch steht unleugbar die Wahrheit darin.« Er warf Kathryn einen Blick zu, die sich unter dem Wollumhang zusammengekauert hatte. Obwohl ihr klar gewesen war, dass dies nicht einfach werden würde, hätte sie nie gedacht, dass ihr die ganze Situation derart peinlich sein würde. Ihr Gesicht glühte regelrecht vor Scham.
Der Bischof richtete seinen Blick wieder auf Lucien. »Sie wissen, dass diese Dame Lady Kathryn Grayson, die Tochter des Earl of Milford, ist?«
»Es ist mir bekannt«, presste Lucien zwischen den Zähnen hervor.
»Nun, dann muss Ihnen die Bedeutung Ihres Verhaltens ja wohl ebenfalls klar sein. Sie haben eine junge, unschuldige Dame verführt, die Tochter einer alten und angesehenen Aristokratenfamilie. Es wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben, als sie zur Frau zu nehmen.«
Dunstans Kopf fuhr bei dieser Bemerkung herum, und seine Augen weiteten sich vor Verblüffung. »Heirat? Einen Moment mal...«
»Wie ich bereits sagte, ist dieses Mädchen eine Jungfrau.« Bischof Tallman ignorierte Dunstans Einwurf. »Sie hingegen sind ein Mann, der als ausgesprochen zügellos gilt. Sie haben den Ruf des Mädchens ruiniert. Aus diesem Grund ist es Ihre Pflicht als Ehrenmann, sie zu heiraten.«
Lucien wandte sich um und warf Kathryn einen scharfen Blick aus seinen schwarzen Augen zu. In dieser Sekunde wurde ihm mit beängstigender Klarheit bewusst, dass sie für all dies hier die Verantwortung trug. Sie hatte diesen Brief geschrieben und dafür gesorgt, dass die beiden Männer hier auftauchten. Er wusste, dass er in eine Falle getappt war und dass sie diejenige gewesen war, die sie ausgelegt hatte. Und obwohl er verstehen konnte, warum sie es getan hatte, war er außer sich vor Zorn, weil er auf diese Weise manipuliert worden war.
Seine Kiefermuskeln spannten sich, und sein Gesicht rötete sich vor Zorn. Vielleicht hätte er dem Bischof geantwortet, doch Dunstan kam ihm zuvor.
»Sie können diesem Mann nicht einfach vorschreiben, dass er das Mädchen zu heiraten hat. Das arme Kind ist verrückt.«
Der Bischof bedachte Lucien mit einem unnachgiebigen Blick. »Glauben Sie das wirklich, Mylord ? Dass Lady Kathryn verrückt ist? Den Gerüchten nach zu urteilen, sind Sie für die Befreiung von Lady Kathryn aus dem St. Bartholomew’s Hospital verantwortlich. Folglich sind Sie also alles andere als überzeugt davon, dass sie verrückt ist. Ist das so, Mylord?«
Kathryn hielt den Atem an. Wenn er die richtige Antwort gab, würde er seinem Schicksal noch einmal entrinnen können. War sein Zorn so groß, dass er sich dem Schicksal fügen würde, das ihr Onkel für sie vorgesehen hatte? Sie biss sich auf ihre zitternde Unterlippe und betete, dass er es nicht tun würde.
Luciens Augen hielten ihren Blick eisern fest. »Lady Kathryn ist nicht verrückt.« Weit davon entfernt, sagten ihr seine dunklen Augen. Ein hinterlistiges, kleines Miststück, das einfach bereitwillig seinen Körper eingesetzt hat, um seine Ziele zu erreichen, aber verrückt ist sie ganz bestimmt nicht. Kathryn fühlte, wie der eisige Blick sich in ihr Herz bohrte wie ein Dolch.
Der Bischof, dessen Gewänder um seine schlanke, elegante Gestalt wogten, trat ein Stück weiter in den Wohnraum. »Wenn Sie wahrhaftig glauben, dass sie im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist, dann ist es Ihre Pflicht, sie zu heiraten.«
»Das Mädchen ist gefährlich«, warf Dunstan ein. »Sie hat versucht, meine Tochter zu vergiften. Sie hat versucht -«
»Das habe ich nicht!«, schrie Kathryn, die sich von dem Sofa erhoben hatte, Luciens Umhang noch immer um den Körper geschlungen. »Ich habe versucht, ihr zu helfen, und das weißt du auch ganz genau.«
»Fürchten Sie sich vor dem Mädchen, Mylord?«, fragte der Bischof ruhig.
Luciens Kiefer spannte sich an. »Nein. Ich glaube nicht, dass sie absichtlich irgendjemanden verletzen würde.« Doch sein strenger Gesichtsausdruck sagte ihr, dass sie ihm bereits eine tödliche Verletzung zugefügt hatte.
»Dann werde ich dem Erzbischof morgen früh eine Nachricht zukommen lassen. Es ist nicht allzu weit nach Canterbury. Ihrer beider Ehe sollte innerhalb der nächsten Tage geschlossen werden können.«
»Das ist doch absurd!« Dunstan schoss vor, seinen Dreispitz unter den Arm geklemmt. »Das Mädchen ist nicht richtig im Kopf. Ich sage Ihnen, sie ist -«
Der Bischof warf ihm einen warnenden Blick zu. »Sie sind ihr Vormund. Ihr Vater hat sie in Ihre Obhut gegeben, da er Ihnen vertraut hat.
Weitere Kostenlose Bücher