Suendiger Hauch
ihr durcheinanderwirbeln und ihr Blut ebenso aufwallen wie damals, als sie ein junges Mädchen gewesen war.
Der Tee wurde gebracht, doch Lucien tauchte noch immer nicht auf. Winnie schenkte eine Tasse ein und reichte sie Nat, bevor sie sich selbst eine Tasse eingoss.
»Ich habe an dich gedacht«, sagte Nat sanft. »Ich habe an wenig anderes gedacht, seit ich dich bei meinem letzten Besuch hier gesehen habe.«
Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Klirrend setzte sie ihre Teetasse auf dem Unterteller ab. »Wie du schon sagtest, wir haben uns viele Jahre nicht gesehen. Ich nehme an, es ist normal, dass du neugierig auf mich warst.«
Stirnrunzelnd stellte Nat seine überkreuzten Beine wieder nebeneinander auf den Boden und stellte seine Tasse auf dem Tisch ab. Sie konnte nicht umhin, das Spiel seiner feinen Muskeln über seinen weißen Seidenstrümpfen und seine breiten Schultern unter dem maßgeschneiderten braunen Wollrock zu bemerken.
»Das meinte ich nicht«, sagte er.
Eine neuerliche Hitze machte sich auf ihren Wangen breit. Die Unterhaltung wurde zunehmend unschicklich. »Was meinst du dann, Nat?«, fragte sie in der Hoffnung, dass sie ihn missverstanden hatte. Als sie jünger gewesen waren, hatten sie gedacht, dass sie sich liebten, doch das lag bereits Jahre zurück, und inzwischen war er mit Emma Hanson verheiratet und hatte zwei erwachsene Kinder, vielleicht sogar schon Enkelkinder.
»Ich meine, dass ich dich sehr gerne sehe. Ich stelle fest, dass ich dich mit meiner Frage überrumpelt habe. Ich bin sicher, dass es Probleme geben würde, wenn wir -«
Winnie stand abrupt auf, ihr Gesicht rot vor Empörung. »Sie gehen zu weit, Mr. Whitley Es mag zwar eine Zeit gegeben haben, in der wir uns sehr viel bedeutet haben, doch das liegt lange zurück.« Bevor du der Ehemann einer anderen wurdest. »Wenn Sie glauben, ich sei an einem Verhältnis interessiert mit jemandem wie ... Ihnen, dann liegen Sie gänzlich falsch.«
Nats Kiefermuskeln spannten sich. »Ich bitte Sie um Verzeihung, Mylady. Es tut mir Leid, wenn ich Sie beleidigt habe«, presste er mit einem kurzen Nicken hervor, obwohl er keineswegs so aussah, als spräche er die Wahrheit.
Stattdessen sah er wütend aus.
Winnie versuchte, gegen das Gefühl anzukämpfen, das der anklagende Blick in seinen blauen Augen in ihr auslöste. »Guten Tag, Mr. Whitley, wenn Sie mich nun bitte entschuldigen wollen, ich habe einige wichtige Dinge zu erledigen.« Sie trat in die Halle und schloss die Tür hinter sich. In diesem Augenblick fühlte sie sich, als hätte sich ein zentnerschweres Gewicht auf ihre Brust gelegt. Nat hatte immer Moral und Anstand besessen, zumindest war dies ihr Eindruck von ihm aus früheren Tagen.
Sie hatte einmal geglaubt, ihn zu lieben. Vielleicht dachte sie noch immer, er sei der galante Held, als den sie ihn betrachtet hatte - anstelle des schändlichen Lebemanns, zu dem er inzwischen geworden war.
Lucien stand an der Rückseite des Stalles und beobachtete, wie Kathryn gemeinsam mit einem Stallburschen über die Felder auf den Wald zuritt. In den vergangenen zwei Wochen hatte sie damit begonnen, ungeachtet der Feuchtigkeit und der eisigen Kälte, die in der Luft lagen, jeden Tag am späten Vormittag auszureiten. Am Abend zuvor hatte sich eine dünne, pudrige Schneedecke über das Land gelegt, in der man die Hufspuren der Pferde erkennen konnte.
»Sattle mir Blade«, wies Lucien Bennie Taylor an, der inzwischen wieder seinen Dienst als Stallbursche verrichtete. »Ich habe etwas im Dorf zu erledigen. Ich denke, ich werde die Abkürzung durch den Wald nehmen.«
»Ja, Mylord.« Der schlaksige Junge flitzte los, um den Befehl seines Herrn auszuführen. Lucien beobachtete, wie Kathryn im Wald verschwand und das dunkelrote Reitkostüm aus Samt von Zeit zu Zeit zwischen den Bäumen aufblitzte. Sie war eine ausgezeichnete Reiterin, wie er festgestellt hatte, und schien die Stunden an der frischen Luft sehr zu genießen. Warum er sich entschlossen hatte, ihr zu folgen, konnte er nicht sagen. Fest stand jedoch, dass er neugierig war, wohin ihr Weg sie führen würde.
Seit seiner Rückkehr aus London hatte er ein Zusammentreffen mit ihr tunlichst vermieden, was, wie er hatte feststellen müssen, alles andere als einfach gewesen war. Kathryn verfügte über mehr Energie als zwei normale Frauen. Wo immer er sich aufhielt, stolperte er über sie: im Frühstückssalon, obwohl er sich zu fast schon unchristlicher Stunde dort eingefunden hatte;
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