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Suendiger Hauch

Titel: Suendiger Hauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
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oberen Stockwerk aus konnte Winifred Montaine DeWitt beobachten, wie ihr Neffe seinen großen, schwarzen Hengst zur Vorderseite des Stalles führte und die Zügel an einen Stallburschen übergab. Von seinem kurzen Aufenthalt in London war er ruheloser und verschlossener zurückgekehrt, als sie ihn jemals zuvor gesehen hatte. Er war jeden Tag ausgeritten, hatte seine Ländereien inspiziert, seine Pächter besucht und die Abende im Gasthaus, der Quill and Sword Taverne, verbracht.
    Winnie kannte natürlich den Grund für sein Verhalten ganz genau. Lucien war ein normaler, aktiver Mann, der mit einer jungen, schönen Frau verheiratet war. Er wollte sie lieben. Doch das Problem war, dass er sich weigerte, es zu tun.
    Winnie ließ den schweren, grünen Samtvorhang wieder fallen, wandte sich um und ging durch das Zimmer. Sie hatte sich entschlossen, mit ihm zu sprechen und zu versuchen, ihm ein wenig in sein starrköpfiges Gewissen zu reden. Sie ging zur Tür hinaus und den Gang entlang. In dem Moment, als sie den Treppenabsatz erreicht hatte, öffnete sich die Eingangstür und Nathaniel Whitley trat ein.
    Winnie hielt auf der Treppe inne, um einen Moment lang zu beobachten, wie er mit einer eleganten Bewegung seinen Dreispitz abnahm, ihn dem Butler überreichte und seinen schweren Wollumhang abstreifte.
    Als sein Blick nach oben schweifte, sah er sie und lächelte.
    »Lady Beckford. Es ist mir ein Vergnügen, Sie wiederzusehen.«
    »Sie sehen gut aus, Nathaniel.« Und unglaublich anziehend, dachte sie mit einem Blick auf die silbernen Strähnen, die sein dunkelbraunes Haar durchzogen, und auf den bewundernden
    Ausdruck in seinen Augen. Sie hatten noch immer dieselbe kornblumenblaue Farbe wie früher, obwohl sich inzwischen kleine Lachfältchen um sie herum gebildet hatten. Er war ein sehr ernsthafter junger Mann gewesen, und sie fragte sich, ob der Mann, der er geworden war, inzwischen auch über die Kuriositäten des Lebens zu lachen gelernt hatte.
    »Ich bin hier, um Ihren Neffen zu besuchen. Ich habe damit begonnen, Lady Litchfields Erbe in Sicherheit zu bringen, und nehme an, der Marquis erwartet mich.«
    »Ich habe gesehen, wie er gerade auf den Hof geritten ist. Ich schicke Reeves, damit er ihm sagt, dass Sie hier sind. Warum warten sie nicht einfach in seinem Arbeitszimmer, bis er kommt?«
    Nathaniel nickte zustimmend, und sie geleitete ihn den Gang entlang. Als sie den dunklen, mit Holzpaneelen ausgestatteten Raum betreten hatten, in dem ein leichter Geruch nach Kerzenwachs und Leder hing, zog sie an der Klingelschnur und bestellte Tee.
    »Lucien sollte jeden Augenblick hier sein. Machen Sie es sich inzwischen doch bequem.« Sie wollte gerade zur Tür gehen, als Nathaniels Stimme sie innehalten ließ.
    »Ich nehme nicht an, dass Sie mir Gesellschaft leisten möchten, bis er kommt?«
    Eine leichte Röte zog sich über ihre Wangen. Das sollte sie nicht tun, denn Nathaniel Whitley war viel zu attraktiv. »Gern«, hörte sie sich in diesem Augenblick sagen, während sie innerlich zusammenzuckte. Nat blieb stehen, bis sie auf dem Sofa Platz genommen hatte, und setzte sich dann ihr gegenüber in einen tiefen Ledersessel.
    »Wie lange ist das her, Winnie? Es müssen nun schon zwanzig Jahre sein, wenn ich mich nicht irre.« Unbewusst hatte er sie wieder mit demselben Namen angeredet wie damals. Fast einundzwanzig, dachte sie. Sie würde den Tag niemals verges-sen, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Es war der Tag gewesen, an dem ihr Vater Nat abgelehnt und stattdessen bestimmt hatte, dass sie Richard DeWitt heiraten sollte, einen wohlhabenden Vicomte, der ihrem Stand als Tochter eines Marquis wesentlich mehr entsprach.
    »Es scheint eine Ewigkeit her zu sein, nicht war? Wir waren so jung damals.«
    »Du bist noch immer jung, Winnie. Du siehst doch noch immer wie ein junges Mädchen aus.« Winnie wich seinem Blick aus, während sie angestrengt versuchte, seinen schmeichelnden Worten auszuweichen und ihre Nervosität zu verbergen. Seine Augen, die auf ihr ruhten, waren blau und intensiv. Es brachte sie völlig aus der Fassung, und am liebsten wäre sie auf der Stelle davongelaufen, obwohl sie gleichzeitig nichts lieber wollte, als hier in diesem Zimmer in seiner Nähe zu sein.
    Seine Art, sie anzusehen, weckte all die Erinnerungen an ihre Vergangenheit, als sie noch ein dummes, junges Ding gewesen war, das geglaubt hatte, dass es ihn liebte. Einundzwanzigjahre später ließen diese blauen Augen noch immer alles in

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