Suendiger Hauch
in der Bibliothek, wo sie sich verkroch und ihre verdammten medizinischen Bücher las; im Gewächshaus, wo sie ein kleines Kräuterbeet angelegt hatte, und nun hier im Stall.
Jedes Mal, wenn er sie sah, fiel ihm etwas anderes an ihr auf, wie sich beispielsweise ihre Pupillen weiteten, wenn er auftauchte, wie der Wind ihre Locken aufreizend um ihr Gesicht wehte, wie sich ihre kleinen Brüste im Oberteil ihres Kleides bewegten. Und jedes Mal, wenn er sie sah, wuchs seine Begierde nach ihr, obwohl er fest entschlossen war, sie zu ignorieren.
Dennoch war er neugierig. Sie war seine Frau, wenn auch nur für kurze Zeit. Was sie tat, würde auf ihn zurückfallen, und deshalb war es auch seine Angelegenheit, zumindest solange sie verheiratet waren. Es gab einige gut aussehende, junge Männer im Dorf, und er hatte ja selbst eine Kostprobe ihres leidenschaftlichen Naturells erhalten. Er wollte verdammt sein, wenn er zuließ, dass sie sich mit einem von ihnen herumtrieb.
Er folgte ihren Spuren in den Wald hinein und dann auf das dahinter liegende offene Feld. Doch die Spuren führten nicht, wie er angenommen hatte, auf das Dorf zu, sondern bogen in westliche Richtung ab auf ein kleines Stück Land, das von einem seiner Pächter bewirtschaftet wurde. Als er auf eine Anhöhe ritt, konnte er sehen, dass ihr Pferd vor einem weiß getünchten, mit Stroh bedeckten Cottage stand und der Stallbursche ihre Stute am Zügel hielt, während sie hineinging.
Von seinem Beobachtungsposten aus, einer Baumgruppe auf dem Flügel, sah er sie kurz darauf wieder lächelnd mit einem kleinen Leinensäckchen in der Hand aus dem Haus treten. Sie verschnürte das Säckchen hinter ihrem Sattel, und der Stallbursche half ihr auf ihre kleine Fuchsstute. Sie sagte etwas zu ihrem schlaksigen jungen Begleiter, wendete das Pferd, trieb es mit den Absätzen ihrer kleinen Stiefel an und begann, es den Hügel hinaufzujagen, sodass sich der Stallbursche bemühen musste, um ihr zu folgen.
Sie ritten um die Wette, stellte Lucien unwillkürlich lächelnd fest, als sie an ihm vorbeipreschten. Er konnte das Echo ihres Lachens durch die Wälder hören, ganz offensichtlich voller Freude über ihren Ausflug. Einen Augenblick lang wünschte er, er könnte sich der Herausforderung stellen und ihr folgen. Doch dann dirigierte er seinen Hengst wieder auf den Weg und ritt zu dem kleinen Haus, um herauszufinden, was Kathryn dort gewollt hatte.
Auf sein Klopfen trat Sarah Whitelawn an die Tür, während ein kleines Mädchen sich in den Falten ihrer Röcke verbarg. Lucien grüßte sie höflich und fragte nach Kathryn.
»Ihre Ladyschaft hat meinem Baby Medizin gebracht«, antwortete Sarah Whitelawn. »Der kleine Andy hatte seit fast einer Woche unter Koliken gelitten, als ich Ihre Ladyschaft auf dem Weg zum Dorf traf. Sie war so nett und hat mir Hilfe an-geboten.«
Lucien zog die Stirn in Falten. »Wenn das Kind Medizin brauchte, warum haben Sie sie dann nicht beim Apotheker im Dorf geholt?«
»Oh, das hab ich, Mylord. Aber es schien nicht zu helfen, obwohl sie drei Shilling gekostet hat.« Sie lächelte und entblößte dabei eine Zahnlücke. »Die Medizin von Ihrer Ladyschaft hat gewirkt. Sie sagt, es ist eine Mischung aus Angelika, Honig und Wasser. Sie hat mir heute ein bisschen mehr gebracht, falls es wiederkommt.«
Lucien schwieg. Gottlob hatte dieses verdammte Zeug besser gewirkt als das, was sie für Muriel Roth zusammengebraut hatte.
Er trat von der Veranda herunter. »Danke, Mrs. Whitelawn. Richten Sie Terence bitte aus, dass ich ihm gerne meinen Kesselschmied schicke, wenn er Probleme hat, den Pflug zu reparieren.«
»Ich sag es ihm«, erwiderte die Frau lächelnd.
Lucien nickte ihr noch einmal zu, schwang sich in den Sattel und ritt den Hügel hinauf in Richtung Schloss. Die Sonne schien warm auf seinen Rücken, während er über die Felder ritt, doch im Wald war es wesentlich kälter. Der Hengst folgte dem gewundenen Pfad tiefer in den Wald, als plötzlich ein roter Stofffetzen am Boden seine Aufmerksamkeit erregte.
Plötzlich packte ihn eine lähmende Angst. Er zwang das Pferd zum Galopp und preschte über den unebenen Weg, als er Kathryn plötzlich inmitten eines Haufens roten Samts mit geschlossenen Augen liegen sah, der kecke, kleine Hut ein paar Meter entfernt. Weder vom Stallburschen noch von ihrer Stute war eine Spur zu sehen.
Sein Herz schlug noch schneller gegen seine Brust. Er sprang von seinem Hengst, noch bevor dieser zum Stehen gekommen war,
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