Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
Jean-Pierre an Emma vorbei. Er verbeugte sich, schien etwas sagen zu wollen, doch dann verbeugte er sich erneut. Er blieb einfach stehen.
»Ja?«, fragte sie frostig.
»Nichts«, sagte er. »Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet … Ich muss ein Kind töten.« Ein Lakai – dieses Mal nicht Henrique – öffnete die Tür. Jean-Pierre ging hinaus, stieg in den Sattel seines Pferds und ritt davon.
Sie starrte ihm hinterher und fragte sich, ob der Wahnsinn, auf den sie gerade einen Blick hatte erhaschen dürfen, von mehr als nur seiner Trunkenheit hervorgerufen wurde.
Dann hörte sie einen schwachen Ruf aus dem Arbeitszimmer, der sie jede Sorge um Jean-Pierre de Guignards Geisteszustand vergessen ließ.
»Emma?« Michaels Stimme klang ganz klein.
Sie eilte in den Raum. »Wie hast du das nur angestellt? Wo ist deine Verwundung?«, verlangte sie zu wissen. Und sie fuhr fort, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen: »Was tust du hier überhaupt? Warum bist du aufgestanden und angezogen?«
Michael blickte lächelnd zu ihr auf. »Rubio ist ein Genie im Umgang mit Wachs, Ton, Puder und Farben. Er lässt mein Gesicht auf Wunsch wie ein Skelett aussehen, und er hat meine Schusswunde verschwinden lassen. Ich bin vielleicht angekleidet, aber auf bin ich nicht.« Die Farbe wich aus seinem Gesicht, als er seitlich auf das Sofa rutschte und halb auf der Sitzfläche lag.
»Verdammt noch mal, Michael.« Sie vergaß, welches Verhalten für eine Dame schicklich wäre. Sie vergaß, dass sie sich geschworen hatte, ihn auf Distanz zu halten, indem sie ihn nicht mehr mit seinem Vornamen ansprach. Sie vergaß alles, was richtig und anständig war, sobald es um Michael Durant ging. Aber sie vergaß nicht, wie wütend sie auf ihn war. Es war schwer zu vergessen, dass er sie wie ein Flittchen benutzt hatte und sie dabei vermutlich die ganze Zeit ausgelacht hatte.
Trotzdem legte sie die Hand auf seine Stirn und war froh, weil sie sich kühl und fieberfrei anfühlte.
»Geht es ihm gut?« Rubio stand in der Türöffnung.
»So weit, ja.« Ihre knappe Antwort klang sehr verärgert. »Warum hast du ihm erlaubt, das zu tun?«
»Er hat Elixabete gehört, die Euch erzählte, Jean-Pierre sei auf dem Weg hierher, weil er nach dem Schnitter sucht. Er befand, er müsse ebenfalls erscheinen, um Jean-Pierres Verdacht vollständig auszuräumen. Glaubt Ihr denn, ich kann Durant aufhalten, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat?« Rubio hatte das halbe Dutzend breitschultriger Männer um sich versammelt, die vorhin bereits Brimley in sein Bett getragen hatten. Jetzt hoben sie Michael hoch und trugen ihn aus dem Zimmer, dem Haus und den Weg zum Witwensitz hinauf. Als sie ihn in seinem Schlafgemach auf das Bett legten, zitterte er vor Erschöpfung, und nachdem Rubio endlich das Wachs von seiner Wunde gelöst und Emma die Wunde wieder versorgt hatte, lagen tiefe Furchen um seinen Mund. Er war vom Schmerz gezeichnet. Sie gab ihm einen Becher mit Birkenrindensud und erwartete, dass er schon bald einschlafen würde.
Doch als sie gerade gehen wollte, packte er nach ihrer Hand. »Du bist wütend auf mich, weil ich der Schnitter bin. Aber du musst mir vergeben, dass ich dich betrogen habe. Ich konnte dir die Wahrheit nicht sagen.«
Ihr war es egal, wie krank er war. Sie weigerte sich, ihm diese gespielte Unschuld anzunehmen. »Du konntest mir nicht sagen, dass du der Schnitter bist. Ich verstehe das. Aber nach der ersten Nacht, als ich dich in meinem Bett versteckt habe, hättest du nicht zu mir zurückkehren dürfen. Du hättest mir nicht zeigen dürfen, was wahre Romantik ist.«
»Ich wollte nicht, dass es so weit kommt.« Er versuchte, spitzbübisch und jungenhaft zu wirken, aber unter der Bettdecke steckte immer noch der Körper eines Mannes. Seine Schultern waren nackt und muskulös.
Sie erinnerte sich nur allzu gut an die Kraft, die diesem Körper innewohnte, wenn er sich auf ihrem bewegte. »Du bist ein Schuft und ein Räuber. Es ist mir so schrecklich peinlich, dass ich dumm genug war, mich dir an den Hals zu werfen.«
»Du bist mir böse wegen dem kleinen bisschen Spaß, das wir uns im Palast gegönnt haben, nicht wahr?«
»Du Esel!« Sie entriss ihm ihre Hand. Glaubte er denn wirklich, sie war nur deshalb auf ihn böse? War er denn tatsächlich so gefühllos?
»Gut möglich, dass es mir etwas zu gut gefallen hat, dich zu täuschen«, gab er zu.
Sie stürmte zur Tür.
»Nicht, Emma.« Er wollte sich aus dem Bett hochkämpfen, um ihr zu
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