Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
sich wahllos ein Buch aus dem Regal und setzte sich in der Bibliothek in einen Sessel.
Gerade rechtzeitig, denn im nächsten Augenblick öffnete Henrique die Eingangstür und rief: »Bitte tretet ein, Mr de Guignard.«
Jean-Pierre kam hereingetöst. Seine Stiefel stapften laut auf den Marmorfliesen. »Wo ist sie? Wo steckt Miss Chegwidden?«
Emma beobachtete aus dem Augenwinkel, wie er an der Tür zur Bibliothek vorbeistapfte. Er hatte den Hut tief ins Gesicht gezogen, ein schwarzer Mantel wehte hinter ihm her. Auf sie machte er nicht den Eindruck, als sei er eine Teufelsbrut.
»Sie ist in der Bibliothek, Sir. Wenn Ihr gestattet, werde ich ihr Eure Ankunft melden …«
Sie hörte seinen Mantel knallen, als er sich abrupt umdrehte. Sie blickte gespielt überrascht auf.
Jean-Pierre stand in der offenen Tür und musterte sie von oben bis unten. Die Köchin hatte recht. Seine Augen waren blass, und die schwarzen Pupillen in der Mitte wirkten wie Löcher. »Miss Chegwidden?« Er zog nicht einmal den Hut.
»Ja, die bin ich. Aber ich bin nicht mit Euch bekannt, Sir«, sagte sie.
»Ich bin Jean-Pierre de Guignard.«
»Etwa Fürst Sandres Cousin?«
»Ich fühle mich geschmeichelt, dass Ihr schon von mir gehört habt.« Er hätte seinen Sarkasmus und seine Verachtung kaum deutlicher zum Ausdruck bringen können. »Was tut Ihr da?«
Sie drehte das Buch um und schaute auf den Buchrücken. Sie las angeblich etwas, das Als die Welt noch jung war – eine Geschichte der Auserwählten hieß. Dann schaute sie ihn an, als sei sie ernsthaft um seine Beobachtungsgabe besorgt. »Ich … lese?«
»Man sagte mir, Ihr sorgt für jemanden in diesem Haushalt, der verletzt sei.«
Dann stimmten Brimleys Informationen also. »Das habe ich. Das tue ich auch jetzt noch. Unser Butler Mr Brimley wurde heute früh verletzt. Im Moment bedarf er meiner Hilfe allerdings nicht.« Sie legte das Buch beiseite, stand auf und trat ihm entgegen.
Er roch nach Absinth. Er hatte also getrunken, ihrer Erfahrung nach wurden Männer labil und streitsüchtig, wenn sie getrunken hatten.
Sie ließ ihre Stimme fest klingen und hielt Augenkontakt. Sie wich nicht vor ihm zurück. »Warum dieses Kreuzverhör, Mr de Guignard? Was ist Euer Problem?«
»Zeigt mir diese Verletzung, derentwegen Ihr zu Hause geblieben seid.«
»Wie Ihr wünscht. Hier entlang, bitte.«
Henrique war zur Stelle und führte die beiden die Treppe hinunter und in die Küche. Er schritt so ruhig einher, dass Emma sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte, während Jean-Pierre ungeduldig knurrte: »Schneller.«
»Es besteht kein Grund zur Eile«, erklärte sie ihm. »Ich glaube nicht, dass Mr Brimley in nächster Zeit irgendwo hingehen wird. Er hat viel Blut verloren.«
Die Küche, die sie nun betraten, roch, klang und sah genauso aus, wie man es von der Küche eines herrschaftlichen Anwesens erwarten durfte. In Töpfen simmerte etwas auf dem Herd, die Köchin schrie ihre Untergebenen an und schwang drohend die Suppenkelle.
Aber aus dem Mülleimer schauten blutige Lappen hervor, stellte Emma zufrieden fest, und die Spülmagd hatte es noch nicht geschafft, die Blutflecke vom Tisch zu schrubben.
Brimley saß genau dort, wo Emma ihn zurückgelassen hatte, und trank eine Tasse Tee. Er blickte fragend auf, als sie die Küche betraten. »Sir!« Er versuchte, sich zu erheben, und sank erschöpft zurück. »Entschuldigt bitte meine Verwirrung. Ich habe nicht damit gerechnet, in der Küche Besuch empfangen zu müssen.« Unheilvoll starrte er Henrique an.
Henrique verbeugte sich. »Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Mr Brimley. Mr de Guignard bestand darauf, Euch umgehend zu sehen.«
»Man hat mir erzählt, Ihr seid verletzt.« Jean-Pierres Augen blitzten unheilvoll.
»Ich fürchte, bei einem fehlgeleiteten Versuch, der Köchin die richtige Methode zu zeigen, um ein Huhn zu zerteilen, habe ich mir mit dem Fleischerbeil den kleinen Finger abgehackt.« Brimley hielt seine bandagierte Hand hoch.
Jean-Pierre trat näher. »Für mich sieht Euer Finger intakt aus.«
»Das liegt daran, dass ich die Hoffnung hege, er wird wieder anwachsen. Wenn Ihr darauf besteht, kann ich den Verband …« Emma wollte auch an den Tisch treten, doch Jean-Pierre war schneller.
»Nicht nötig. Das kann ich auch allein.« Er streckte die Hand aus und riss den Verband ab.
Blut spritzte durch die Küche.
Die Köchin schrie.
Zwei zimperliche Spülmägde verloren das Bewusstsein.
Das erste Mal an diesem
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