Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
und eilte an seine Seite. »Was ist passiert?«
Er legte den Arm um ihre Taille und zog sie an sich. Dann blickte er ihr tief in die Augen. Man sah deutlich, wie sehr er sich um sie sorgte. »Dein Cousin Rickie wurde letzte Nacht getötet … durch den Schnitter.«
7
»Noch einmal von vorne, Aimée. Erzählt mir, was mit meinem Cousin Rickie passiert ist.«
»Ich habe Euch doch seit heute früh die Geschichte ein Dutzend Mal erzählt, Euer Hoheit.« Aimée saß ganz klein zusammengekauert auf einem Stuhl mit gerader Rückenlehne im Vestibül des königlichen Palasts. Sie weinte vor Angst und Erschöpfung. »Warum glaubt Ihr mir denn nicht?«
»Weil das, was Ihr mir erzählt habt, absurd ist.« Fürst Sandre konnte seine Wut kaum in Zaum halten. Aimée war schon immer eine hübsche Idiotin gewesen. Sein Cousin hatte die Frau wegen ihres Geldes und ihres Körpers geheiratet, und danach hatte er jahrelang davon geredet, sie zu töten, um die Welt von dieser hohen, dünnen Stimme zu befreien.
Fürst Sandre hatte ihn davon abgehalten. Niemand hätte geglaubt, dass es sich um einen Unfall handelte, und die Familie de Guignard genoss ohnehin schon einen zweifelhaften, dunklen Ruf. Es entbehrte allerdings nicht einer gewissen Ironie, dass sie Rickie überlebt hatte.
Sandre wusste, wenn er sie anschrie oder bedrohte, würde sie zu einem Häuflein Elend zusammensinken, und er würde nie an die Informationen gelangen, die er brauchte. Daher sprach er leise und sehr freundlich mit ihr. »Nun, Aimée. Ihr wart in der Kutsche auf dem Weg nach Hause vom Ball.«
»Ich habe Rickie vom Schnitter erzählt.« Zum ersten Mal, seit Sandre denken konnte, war das kastanienrote Haar Aimées zerzaust, und ihre runden Wangen sahen eingefallen aus. Ihre elfenbeinfarbene Haut wirkte fleckig.
»Er hat Euch natürlich erklärt, dass es keinen Schnitter gibt.«
»Das waren seine Worte. Aber ich wusste, dass er damit falsch lag, und das hier beweist es doch.« Sie hob den Kopf. Kläglich blickte sie Sandre an. »Glaubt Ihr, er hat den Zorn des Schnitters erregt, weil er seine Existenz geleugnet hat?«
»Wenn es einen Schnitter gibt, ist er ein Mann in einem albernen Kostüm, ich werde diesen Mann finden und ihn dafür büßen lassen, dass er es wagt, über meine Straßen zu reiten und meinen Cousin zu ermorden.«
»Das hat Rickie auch gesagt.«
»Was?«
»Dass der Schnitter ein gewöhnlicher Mann sein muss. Aber das kann nicht sein. Kein einfacher Mann hätte es gewagt, meinen Ehemann zu ermorden.«
Das stimmte allerdings. Wer besaß in Moricadia schon so viel Mut, einen großen, starken und grausamen Mann wie Rickie de Guignard aus seiner Kutsche zu locken und ihn am Galgen aufzuknüpfen?
Sandre hatte jedenfalls vor, das herauszufinden. »Ich muss mich dann allerdings auch fragen, wie ein Gespenst eine Schlinge knüpfen und Rickie aufhängen kann?«
»Vielleicht hat er Rickie so sehr verängstigt, dass er Selbstmord beging.«
Sandre verspürte den unwiderstehlichen Drang, Aimées Schädel zwischen seinen Fingern zu zerdrücken wie eine reife Melone. Und sei es nur, um festzustellen, ob sie ein Gehirn hatte oder ob nur ein kleines Glöckchen im Schädel bimmelte.
Sie fuhr fort: »Ich habe seinen Leichnam gesehen. Die einzige Verletzung, die er hat, ist die Abschürfung an seinem Hals. Wie erklärt Ihr Euch seinen Tod?«
Sandre warf seinen Wachen einen knappen Blick zu. Zwei Moricadier standen reglos neben der Tür. Sie hielten Schwerter in der Hand und hatten geladene Pistolen im Gürtel. Sie begleiteten Sandre überallhin. Ihre Aufgabe war, ihn zu beschützen. Sandre versicherte sich ihrer Loyalität, indem er ihre Frauen und Kinder immer in Reichweite hatte – die Familien dieser Männer lebten und arbeiteten im Palast. Darum musste er nie Zweifel hegen, dass sie ihn nicht mit ihrem eigenen Leben verteidigen würden. Doch er wollte auf keinen Fall, dass sie zu ihren Frauen gingen und ihnen zuflüsterten, der Schnitter sei der Geist des alten Königs oder der Vorbote für die Rückkehr eines neuen Königs. Oder dass der Schnitter auf einem Rachefeldzug gegen die de Guignards war und den Mann getötet hatte, den die Leute am meisten fürchteten.
Ach, Rickie. Wir hatten immer so viel Spaß zusammen.
Die Welt fühlte sich an, als wäre sie umgekippt, aber er war kein Mann, der einem Ghul gestattete, ihn und sein Regime niederzuringen. Er streichelte beiläufig die Bandage um seine Hand und lockte: »Erzählt mir alles, was
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