Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
neben den Pferdeburschen gefunden. Was glaubt Ihr, hat das zu bedeuten?«
Sie schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft. »Die Kutsche ist von allein gefahren, weil der Schnitter es ihr befohlen hat?«
Keine Frau konnte allen Ernstes so dumm sein.
Aber Aimée war so dumm. Sandre wusste, dass sie das war. Er musste ein paar Mal tief durchatmen, um sich nicht von seinem Zorn überwältigen zu lassen. »Nein. Jemand hat ihn gefesselt und Euch dann heimgefahren, während Euer Gespenst Rickie ermorden konnte.« Bevor sie wieder mit irgendeiner dummen Erklärung daherkommen konnte, sagte er: »Euer Gespenst hat Komplizen, die tun, was es von ihnen verlangt, wenn er sich auf seine tödlichen Missionen begibt.«
»Oh.« Sie faltete ergriffen die Hände unter ihrem Kinn und riss die blauen Augen aufgeregt auf. »Hat der Geist noch andere Männer umgebracht?«
»Nein. Noch nicht.« Sandres Stimme klang vor Wut gepresst. »Zumeist posiert er in seinem dämlichen Kostüm auf Hügelkuppen, um die Leichtgläubigen zu verängstigen. Aber letzte Nacht hat er gezeigt, wozu er fähig ist. Und ich schwöre Euch, ich werde ihn demaskieren und mit ihm jeden Mann, der ihm geholfen hat.«
»Ihr könnt den Schnitter nicht hängen. Er ist bereits tot«, erklärte sie ihm.
»Ich werde den Mann finden, der Euren Kutscher angegriffen hat. Und dann werde ich ihn ganz langsam töten, bis er mir alles preisgibt, was er weiß.« Sandre sprach an die Wachen gewandt.
Aimée war nicht klug genug, um das zu bemerken, und sie antwortete mit der ihr eigenen, verdrehten Logik: »Die Diener von König Reynaldo sind auch alle seit langer Zeit tot.«
»Sie leben! Der Schnitter und seine Helfershelfer sind lebende Männer!« Ehe sie etwas erwidern konnte, fauchte er: »Als Zeichen meiner Zuneigung werden wir Rickie schon morgen auf der königlichen Grabstelle der de Guignards beerdigen.«
»Ich hasse diesen Friedhof. Er ist unheimlich.«
»Rickie würde sich wünschen, dort begraben zu werden.«
»Ja. Das passt zu ihm, nicht wahr?« Aimée biss sich auf die Unterlippe. »Ich brauche Schutz.«
»Vor wem?«, fragte er scharf. Er hätte nie gedacht, dass Aimée klug genug war, um zu wissen, dass ihre Tage gezählt waren.
»Der Schnitter wird mich töten, weil ich es gewagt habe, offen über ihn zu sprechen.«
Hörte diese Frau denn nie zu? War ihr denn nicht klar, wie sie sich tatsächlich in Gefahr brachte? Sie hätte sich retten können, wenn sie zugestimmt hätte, dass der Schnitter nur ein einfacher Mann war, der sich als Gespenst verkleidete. Aber da sie darauf beharrte, er habe übernatürliche Kräfte, fütterte sie damit die Hoffnung der einfachen Leute und besiegelte zugleich ihr eigenes Schicksal. »Ich werde den Schnitter gefangen genommen haben, ehe er Euch weiteren Schaden zufügen kann.«
Aimée umarmte sich. Sie hatte die Arme beschützend um ihre Brust gelegt. »Darf ich jetzt gehen? Ich will nach Hause und meine Zofe holen.«
»Und wo wollt Ihr dann hin?«, fragte er höflich. Er fragte sich, ob sie wohl bereits plante, das Land zu verlassen.
»Zu Lady Fanchere. Eleonore ist meine beste Freundin. Und Eure Cousine. Ich brauche sie jetzt.« Ihre Stimme bebte mitleiderregend.
Lord und Lady Fanchere unterstützten ihn in allen Belangen. Eleonore war seine Spielkameradin gewesen, als er noch ein kleiner Junge war, und sie glaubte noch immer, dass er sich die jugendlichen Ideale bewahrt habe. Fanchere war nicht so blind, aber der Mann wusste, auf welcher Seite sein Brot gebuttert wurde.
Ja, Aimée sollte zu ihnen gehen und ihnen diese fantastische Geschichte erzählen. Eleonore würde freundlich darüber lachen. Außerdem wäre es gut für Aimée, wenn man sie in Gesellschaft der beiden sah, nachdem sie Sandre besucht hatte.
»Dann solltet Ihr auf jeden Fall zu Eleonore gehen.« Er schaute aus dem Fenster. »Aber es ist eine lange Fahrt, und es ist schon spät. Bleibt doch bis morgen früh hier.«
»Nein! Ich meine …« Aimée schaute sich hektisch um. »Darauf bin ich nicht vorbereitet. Ich habe meine Zofe nicht bei mir. Keine Kleider …«
Er lächelte fast, weil es ihm gefiel, wie sie sich wie ein Wurm am Haken wand. »Unsinn. Dies ist der Palast. Wir haben Hunderte an Gemächern, Kleidung für Damen in jeder Größe und Schneiderinnen, die Änderungen vornehmen können. Außerdem Zofen, die Euch nur zu gern zu Diensten sind. Quicos Frau zum Beispiel ist eine unserer Zofen. Nicht wahr, Quico?«
Eine der Wachen
Weitere Kostenlose Bücher