Sündiges Abenteuer: Roman (German Edition)
verlegen und versuchte, sich zu entschuldigen. Nur um sofort wieder laut zu kichern.
Lady Fanchere wedelte mit der Hand und brachte sie zum Schweigen. »Ich bitte Euch, entschuldigt Euch bloß nicht dafür! Das war der Höhepunkt dieses ödesten Abends einer ganz und gar öden Saison. Ich dachte, ich müsse vor Lachen sterben. Lady Lettice hat nichts unter ihrem Pony, wenn Ihr versteht, was ich meine. Es ist nicht meine Art, jemanden zu verurteilen, der nicht klug ist – eine meiner liebsten Freundinnen ist Aimée de Guignard. Sie ist ein Schatz und das größte Dummerchen der Christenheit. Von Lady Lettice kann ich das nicht behaupten. Diese Frau ist, wie man hört, käuflich, und ihre Grausamkeiten sind wohl bemessen. Sie würde in der besseren Gesellschaft normalerweise nicht empfangen, doch hier in Moricadia bedarf es nur eines Vermögens, um Fürst Sandres bester Freund zu sein.« Sie biss sich auf die Unterlippe, als wollte sie nicht so viel sagen. Mit einer Entschlossenheit, die Emma bewunderte, wechselte sie geschickt das Thema. »Jetzt erzählt mir, was passiert ist, nachdem Ihr den Ball verlassen habt.«
»Nachdem ich wie eine Verbrecherin vor die Tür gesetzt wurde?« Die Demütigung ließ Emma überraschend bitter klingen. »Ich bin gelaufen, immer geradeaus. Es war kalt. Ich fürchtete, ich hätte mich verirrt, und ich hatte Angst, umzudrehen, denn es konnte ja sein, dass Licht und Wärme schon hinter der nächsten Kurve auf mich warteten. Und dann stand plötzlich dieser Wolf direkt vor mir. Es war ein Wolf, ich schwör’s! Daran besteht für mich kein Zweifel.«
»Ist ja gut, ich glaube Euch«, sagte Lady Fanchere beruhigend. »Wie seid Ihr ihm entkommen?«
»Ich drehte mich um und rannte los. Und dann …«
»Dann?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung!« Emma rieb sich mit beiden Händen den Kopf und versuchte, irgendwelche Erinnerungsfetzen ihrem Verstand zu entlocken. »Da ist nichts. Ich weiß nicht, wie es mir gelang, dem Wolf zu entkommen, der mich als Nachtmahl auserkoren hatte. Ich weiß erst recht nicht, wie ich hierhergekommen bin.«
»Ihr habt eine Beule am Hinterkopf. Wisst Ihr, wie es dazu gekommen ist?«
Behutsam tastete Emma ihren Hinterkopf ab und zuckte zusammen, als ihre Finger die Beule berührten. »Ich muss gefallen sein. Hat man mich im Wald gefunden?«
»Ihr wurdet bewusstlos auf unserer Schwelle abgelegt. Wie ein verwaistes Kind.« Lady Fanchere beobachtete Emma, die versuchte, diese Neuigkeit zu verarbeiten. »Ihr erinnert Euch wirklich an nichts?«
Emma schüttelte heftig den Kopf.
»Da war kein Retter, an den Ihr Euch erinnert?«
Emma zog die Stirn kraus. Etwas regte sich in ihrem Kopf. Eine vage Erinnerung an Hände, die sie umdrehten, damit sie ihm ins Gesicht schaute …
Der beißende Geruch nach Ammoniak brachte Emma mit einem Ruck wieder zu Bewusstsein. Sie öffnete die Augen und sah Lady Fanchere, die sich über sie beugte. Sie hielt ein Fläschchen Riechsalz in der Hand und wirkte ehrlich besorgt.
»Gott sei’s gedankt«, sagte Lady Fanchere. »Ich habe noch nie erlebt, dass jemand während einer Unterhaltung einfach das Bewusstsein verlor.«
»Das tut mir leid.« Emma versuchte mühsam, sich wieder aufzusetzen.
»Bitte bleibt liegen.« Lady Fanchere setzte sich wieder und wedelte mit dem Riechsalz unter ihrer eigenen Nase. »Wir sind wohl beide erschüttert. Beruhigen wir uns erst einmal und passen auf, dass Ihr kein zweites Mal ohnmächtig werdet.«
Emma sank gehorsam in die Kissen. »Ich muss mir den Kopf heftiger gestoßen haben, als ich gedacht habe.«
»Ich denke, Ihr habt recht.« Lady Fanchere legte die Hand auf ihre Hüfte, direkt über dem sanften Schwung ihres Bauchs. »Nun also! Ihr wisst vielleicht, dass der Engländer Michael Durant unser Gefangener ist …«
»Ja, ich habe ihn gestern Abend kennengelernt.«
»Das hat er mir erzählt.«
»Hat er etwas mit meinem Aufenthalt hier zu tun?« Wenn dem so war, stand sie tief in seiner Schuld.
Aber Lady Fanchere machte eine wegwerfende Handbewegung. »Überhaupt nicht. Ich war müde, darum sind wir sehr früh vom Ball heimgefahren. Wie Ihr vielleicht wisst, steht Michael unter Hausarrest, und wir sind für seine Unterbringung verantwortlich. Gestern Abend ging er in sein Schlafzimmer im Witwensitz«, sie wies aus dem Fenster, »einem sehr luxuriösen Haus, das seinem Stand angemessen ist, wenn man von den Gitterstäben vor den Fenstern und dem Riegel vor der Tür absieht. Wir
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