Sündiges Geheimnis: Roman (German Edition)
Hals kleben. Wieso um alles in der Welt hatte sie an diesem Morgen eine Frisur gewählt, die besser zu kühlen Abendstunden passte? Während einer fast schlaflosen Nacht musste sie den Verstand verloren haben.
Sie fing den Blick einer älteren Frau auf, die sich durch das Gewühl einen Weg zu ihr bahnte.
»Guten Tag«, grüßte Miranda, hielt ihr das Päckchen hin, und die Frau streckte eine Hand danach aus. »Bücher für den Viscount unter dem Namen Jeffries.«
Sofort zog die Frau ihre Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt, und ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Jeffries? Von Main Street Books?«
In der Küche verstummten plötzlich alle Geräusche, und Miranda überkam das sonderbare Gefühl, als hätte jemand eine Decke über eine klingelnde Glocke geworfen. Alle Blicke wandten sich zu ihr.
»Ja, so ist es …« Unter ihrer Haut schien Eis zu prickeln, nur im Nacken brannte nach wie vor die Hitze.
»Kommen Sie mit mir.«
Die Frau führte sie zwischen den Dienstboten hindurch, die neugierig gafften, bevor sie sich wieder an die Arbeit machten und dabei eifrig tuschelten.
Als sie hinter der Frau in einen kühleren Flur trat, atmete sie erleichtert auf. Trotzdem flatterten ihre Nerven. Würde sie ihn wiedersehen? Nicht zum ersten Mal kämpfte Verlegenheit mit erwartungsvoller Erregung. Unwissentlich hatte sie über ihn getratscht. Und er hatte es gehört.
»Die Lieferung ist bereits bezahlt«, erklärte sie auf dem Weg durch den Flur, »sodass ich nur eine Unterschrift brauche. Und vielleicht ein anderes Päckchen im Gegenzug mitnehmen soll, falls der Viscount es angeordnet hat.«
Der Onkel hatte sie beauftragt, nach den Büchern für Rutherford zu fragen, sich aber schon halbwegs mit dem Verlust abgefunden und die »Katastrophe« der Nachlässigkeit adeliger Leute zugeschrieben. Verstohlen zupfte sie den feuchten Kragen ihres Kleides vom Nacken.
»Wenn ich das Paket einfach einem Lakaien gebe …«
Ohne ihre Schritte zu verlangsamen, schüttelte die Frau den Kopf. Aus offenen Türen fiel Licht in den schattigen Gang. »Nein, ich soll Sie zum Roten Salon bringen. Hier herein.« Sie deutete in einen Raum. »Allzu lange wird es nicht dauern.«
Unsicher trat Miranda über die Schwelle. Ihr Onkel hatte betont, der »wichtige Kunde« müsse das Päckchen noch an diesem Tag erhalten, und einige Bücher aus Lord Downings Bibliothek erwähnt. Diese Bände würde der Viscount »eventuell« der Buchhandlung überlassen. Sein begeistertes Gemurmel sprach für die Wichtigkeit dieses Handels. Andernfalls hätte Miranda jetzt vielleicht die Flucht ergriffen.
Hinter ihr fiel die schwere Tür ins Schloss. Das Zimmer war ganz in Schwarz, Silber und Gold gehalten, selbst die reich geschnitzten Möbel bestanden aus schimmerndem schwarzem Ebenholz. Den einzigen Farbfleck bildete eine einsame rote Vase, die auf einem Sockel mitten im Raum stand und wohl der Namensgeber war.
Hier besaß jemand offenbar einen merkwürdigen Humor.
Der Salon wirkte unbenutzt wie ein Museum. An einer Seite standen Regale mit dicken Büchern, die so aussahen, als seien sie jahrelang nicht gelesen worden. Jemand, vermutlich ein Dienstbote, hatte sie ordentlich aneinandergereiht. Nur in einem Regal sah sie Bücher, die nicht akkurat in Reih und Glied standen – sie schienen zumindest gelegentlich herausgezogen zu werden.
Nichts als Alibis, dachte sie. Um so zu tun, als würde man sich neben den Vergnügungen auch einem seriösen Zeitvertreib widmen. Wenn man indes den Klatschspalten glauben durfte, amüsierte Downing sich ausschließlich.
Ein wuchtiger Schreibtisch, die Beine mit geschnitzten Löwen und Fabelwesen verziert, nahm den Platz an der Fensterfront ein. Zwischen den schweren, bis auf eine schmale Spalte zugezogenen Vorhängen drang kaum Licht herein. Der Schreibtisch wirkte ebenfalls unbenutzt. Als würde dahinter nur jemand Platz nehmen, um einen Bittsteller abzukanzeln oder einen unzuverlässigen Geschäftspartner.
Alles war irgendwie einschüchternd. Bis auf die rote Vase. Miranda ging darauf zu, um sie näher in Augenschein zu nehmen.
»Gefällt sie Ihnen?«
Sie fuhr herum und sah den Viscount an einer Wand lehnen, wo er mit den Schatten zu verschmelzen schien. In einer Hand funkelte eine Taschenuhr. Miranda wandte sich wieder der Vase zu und versuchte ihre Atemzüge zu beruhigen. Kein Grund, so nervös zu sein, redete sie sich ein. Schließlich begegnete sie dem Mann nicht zum ersten Mal. Bloß dass sie
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