Sündiges Geheimnis: Roman (German Edition)
vertrauen. Und ich dachte, das sei dir lieber, als dich etwa statt meiner um die Buchhaltung zu kümmern.«
»Nein! Keine Aufsicht, die meine Arbeit überwacht.« Heftig gestikulierte sie und hoffte ihm zu bedeuten, was sie meinte, ohne es ausdrücklich zu erklären. »Mehr eine Aufsicht, wie junge Damen sie brauchen.«
Als sie das weiterhin verständnislose Gesicht des Onkels sah, setzte sie noch hinzu: »Der Viscount lebt alleine in seinem Haus, mit Personal natürlich. Aber er ist Junggeselle.«
»Kann ich ihm nicht verdenken.« Der alte Mann, der nie verheiratet gewesen war, runzelte die Stirn. »Dass du auf so etwas achtest, wusste ich gar nicht …«
»Onkel! Es ist ungehörig! Ich bin ledig!«
Und nicht immun gegen Versuchungen, hätte sie am liebsten hinzugefügt. Mr. Pitts konnte sie so etwas anvertrauen, nicht jedoch dem weltfremden Mann vor ihr.
»Natürlich bist du das. Wenn du einmal verheiratet sein wirst, lädtst du mich hoffentlich oft zu dir ein.«
Fassungslos starrte Miranda ihn an. »Es ist unschicklich«, fauchte sie und wünschte verzweifelt, er würde es endlich begreifen und sie vor sich selbst retten.
»Unschicklich?«, wiederholte er verwirrt. »Wir sind hier nicht an einer Lehranstalt für höhere Töchter. Deine Mutter hat immer so geredet …«
Nein, dort hätte man ihr bestimmt den Kopf gründlich zurechtgerückt. Und wenn man ihre Gedanken in diesem Moment erriete, würde man sie für eine Woche in ein Kellerloch sperren.
Sie seufzte. »Onkel, es gehört sich nicht, mit einem Gentleman in seinem Haus alleine zu sein.«
»Wieso nicht? Du arbeitest dort schließlich und bist nicht zu deinem Vergnügen in diesem Haus. Was ist daran ungehörig?«
»Was ist ungehörig?« Unbemerkt hatte Georgette die Buchhandlung betreten und nahm ihren todschicken großen Hut ab. Hinter ihr spähte Peter, der am Ladentisch stand, neugierig zur offenen Tür.
»Ich katalogisiere eine Bibliothek – allein «, betonte Miranda. Mit schmalen Augen musterte sie ihren Onkel.
Georgette gab einen verächtlichen Laut von sich. »Du sortierst Bücher in Regale ein? Also wirklich, Miranda, wäre das schon ungehörig, würde ich mich weniger um dich sorgen. So was machst du schließlich dauernd.«
»Es ist unmöglich, ein vernünftiges Gespräch mit ihm zu führen«, stöhnte Miranda. Und unmöglich, ihn zu ignorieren.
Ihre Freundin hüstelte diskret und stieß sie an.
»Meinen Onkel meine ich nicht, George.« Entnervt wandte sie sich wieder zu dem alten Mann. »Glaub mir, Onkel, es ist unmöglich.«
»Warum?«, fragte er und schob seine Papiere zu einem unordentlichen Stapel zusammen. »Da sehe ich kein Problem. Der Viscount ist ein viel beschäftigter Mann, und er wird sich wohl kaum die Zeit für eine Konversation mit dir nehmen.«
Doch, genau das tat er, dachte sie beklommen, wobei das, verglichen mit seinen anderen Aktivitäten, noch das geringste Problem darstellte. Aber am schlimmsten war, dass sie diese Annäherungen mochte – sie sogar wünschte. Sie hatte immer das Gefühl, von verbotenen Früchten zu naschen oder zumindest kurz davorzustehen. Und was er ausgerechnet von ihr wollte, war sowieso das größte Rätsel von allen. Nun, vielleicht weniger das Was als das Warum.
Als Georgette das Wort »Viscount« hörte, riss sie den Mund auf, und ein arglistiger Glanz trat in ihre Augen.
»Vermutlich wirst du ihn ohnehin kaum sehen«, meinte der Onkel. »Geh hin, freu dich an der Arbeit und pack alle interessanten Bücher ein, die er aussortiert. Selbst wenn sie dir nicht sonderlich wertvoll erscheinen wie die Handschrift, die er dir geschenkt hat. Da du sie angenommen hast, muss sie dir ja immerhin gefallen.«
Obwohl er nichts vom Inhalt dieses Buches ahnte, errötete Miranda verlegen.
»Und denk ja an die Bengalische Dichtung « , mahnte er, bevor er sich andere Papiere griff, um sich leise murmelnd wieder seinen Zahlen zu widmen.
»O ja, Miranda«, sagte Georgette in strengem Ton und bedeutete ihr aufzustehen. »Welch eine Schande wäre es, wenn du deinem Onkel dieses Buch nicht beschaffen würdest!«
Natürlich hatte sie noch nie von diesem seltenen Werk gehört. Daran gab es keinen Zweifel. Resignierend erhob sich Miranda.
»Jetzt werde ich mit Ihrer Nichte auf ein Schwätzchen nach oben gehen, Sir. Sicher wird sie auch weiterhin für den Viscount arbeiten«, versprach Georgette und wünschte dem Onkel einen guten Tag.
Geistesabwesend winkte er ihr zu, den Kopf über seine Papiere
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