Sündiges Geheimnis: Roman (German Edition)
wollen ja ohnehin nicht mehr auf meine angeblich ruchlosen Methoden hereinfallen. Nein, betrachten Sie unser Ziel als eine Wiedergutmachung. Ich verspreche Ihnen auch, ganz brav zu sein.« Nonchalant warf er ein dünnes Bändchen auf den Tisch. »Das habe ich bei Colin mitgehen lassen, als er gerade nicht hinschaute. Vielleicht gefällt es Ihnen ja.«
Miranda starrte Shakespeares Sonette an, in exquisites Leder gebunden. »Wird Ihr Bruder das Buch nicht vermissen?«
»Das wollte er zweifellos einer Dame bei einem Stelldichein schenken. Niemals würde man ihn mit Sonetten in der Hand antreffen, die er nicht selbst verfasst hat. Falls er sich aufregt, kaufe ich ihm einen anderen Band«, sagte er lächelnd. »Begleiten Sie mich, Miranda. Freiwillig.«
Schon fühlte sie sich aufs Neue von seinem lockenden Sirenenruf in Versuchung geführt. Alle vernünftigen Überlegungen schienen nur noch da zu sein, um über Bord geworfen zu werden. Wenn sie jetzt nicht aufpasste … »Dadurch verzögert sich meine Arbeit in Ihrer Bibliothek«, wandte sie lahm ein.
»Dann behalte ich Sie eben etwas länger bei mir. Am besten für immer.« Wieder dieser neue, seltsame Ton, den sie nicht entschlüsseln konnte. Und sein Blick, die Intensität seiner Augen. Beinahe glaubte sie ihm. Als er an ihr vorbeiging und den Raum verließ, sagte er: »Das wird vielleicht geschehen.«
Verstört starrte sie ihm nach. Eigentlich sollte sie das Kleid zurück in den Schrank hängen und sich wieder in die Bibliothek begeben. Und vor allem diesem Mann nicht mehr erlauben, sie von einer Verwirrung in die nächste zu stürzen.
»Seine Lordschaft hat genau den richtigen Zeitpunkt gewählt. Jetzt ist der alte Drachen beschäftigt, und ich kann Sie so zurechtmachen, wie ich’s will.« Wie aus dem Nichts war Galina hinter ihr aufgetaucht. Sie musste bereits draußen auf dem Gang auf ein Zeichen gewartet haben, das Zimmer betreten zu dürfen.
Das Mädchen deutete auf den Sessel vor dem Toilettentisch. »Die ganze Zeit wusste ich’s – er würde zu Ihnen zurückkehren, Miss. Und so habe ich verschiedene fashionable Frisuren studiert.«
»Oh, das wussten Sie?« Miranda blinzelte. »Woher? Weil Sie lauschen?«
»Ja, das auch.« Ehe Galina weitersprach, schien sie nachzudenken. »Außerdem sind Sie nicht so wie die anderen, die hier waren. Das habe ich inzwischen gemerkt.« Energisch wies sie noch einmal auf den Sessel, und Miranda setzte sich, ohne sich dessen bewusst zu sein, dass sie gerade kapitulierte. Mal wieder.
»Inwiefern?«, fragte sie neugierig nach.
Galinas Augen verengten sich. »Nun, es gibt gewisse Unterschiede … Übrigens keine Angst, wir horchen nicht in intimen Situationen.« Als sie Miranda erröten sah, lächelte sie. »Jedenfalls bedeuteten die anderen ihm nichts. Und in Ihnen sieht er etwas Besonderes.«
Verlegen starrte Miranda in den Spiegel und sah ihre erhitzten Wangen. »Ich bin bloß eine einfache Verkäuferin.«
»So einfach wohl auch nicht«, widersprach Galina, nahm eine Haarbürste und begann mit ihrem Werk, während Miranda darüber nachdachte, was die Worte des Mädchens letztlich bedeuteten.
Dass man sie für eine ständige Begleitung des Viscount hielt. Wollte sie das? Und wenn ja, musste sie das Risiko eingehen, dass alle es am Ende wussten. Lief das nicht zwangsläufig auf ein unkalkulierbares Abenteuer mit ungewissem Ausgang hinaus?
Könnte ich wirklich ein Teil seines Lebens werden? Zumindest für kurze Zeit?
Fachkundig steckte Galina einen Teil von Mirandas Haar hoch. »Jeder Dienstbote gewöhnt sich das Lauschen an. Das ist einfach so.«
»In einer Buchhandlung gewöhnt man sich an interessante Romane«, bemerkte Miranda und sah im Spiegel die gekräuselten Lippen des Mädchens.
»Lesen Sie viel?«
»Ja – es ist wie eine Flucht in andere Welten …« Sie versuchte ihre Stimme ganz normal klingen zu lassen, doch es gelang ihr nicht ganz. Zu schmerzlich überfiel sie wieder die Erinnerung an den Verlust ihrer Familie. »Manchmal ist das der beste Teil eines beschwerlichen Tages.«
»Ein Dienstbote hat zu wenig Zeit, um in ferne Welten zu fliehen.«
»Gäbe es denn einen Grund?«
Galina zerrte etwas zu fest an Mirandas Haaren und murmelte eine Entschuldigung. »Vielleicht …«
Nachdem die raffinierte Frisur vollendet war, half sie Miranda, sich umzuziehen. Das Kleid war – ähnlich jenem, das Madame Galland für das Maskenfest geliefert hatte – von schlichter Raffinesse und wunderschön.
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