Süß ist die Angst
Einzelhaft …«
»… standesrechtlich erschießen …«
Es war die Sirene, die sie schließlich weckte und aus dem Schlaf hochfahren ließ.
»Schon gut, Sophie.« Julian hielt noch immer ihre Hand. »Deine Kollegen blockieren den Krankenhausparkplatz. Wir versuchen durchzukommen.«
Ihre Kollegen?
»Man sollte meinen, dass sie sich wenigstens bei einer der Ihren ein bisschen zurückhalten würden«, sagte der Fahrer. » CNN . MSNBC . Fox. Mannomann!«
Der ganze Medienzirkus beisammen.
Du bist heute Schlagzeilen wert, Alton. Wie fühlst du dich dabei?
Vor allem niedergeschlagen.
»Moment. Vielleicht können wir da etwas tun.« Julian zog sein Funkgerät hervor. »Acht fünfundzwanzig.«
Eine Stimme kam knisternd zurück.
»Acht fünfundzwanzig, bitte kommen.«
»Acht fünfundzwanzig. Ich brauche jeweils einen Wagen links und rechts von dem Krankenwagen, um die Fenster zu verdecken und Neugierige fernzuhalten.«
Sophie hörte, wie Julian seine Position als einer der wichtigstens Cops der Stadt dazu benutzte, sie von der Öffentlichkeit abzuschirmen. Gerührt über seine Rücksicht, drückte sie seine Hand.
»Danke.«
»Gern geschehen. Ich könnte mir vorstellen, dass du vielleicht im Augenblick kein Interview geben magst.«
Der Krankenwagen hielt. Die Tür wurde geöffnet, und Kälte strömte herein. Und dann schob man sie mit den Füßen zuerst auf der Tragbahre hinaus.
Wie irreal es auf sie wirkte! Das grelle Neonlicht außerhalb des Krankenwagens. Die weißen Blitze von Hunderten von Kameras. Fragen, die man ihnen zubrüllte.
»Wie steht es um sie?«
»Ist es wahr, dass der Täter selbst ihren Aufenthaltsort durchgegeben hat?«
»Ist Marc Hunter wieder in Polizeigewahrsam?«
Die Frage fuhr ihr durch die Glieder, ließ ihren Puls davonstürmen. Hatten sie ihn erwischt?
Aber es war ja nur eine Frage gewesen. Sie hatte keine Bedeutung gehabt. Der Reporter schoss nur ins Blaue.
Du machst dir doch keine ernsthaften Sorgen um ihn, oder?
Oh doch. Trotz allem, was er getan hatte – sie machte sich Sorgen.
Pass auf dich auf, Hunt.
Aber noch bevor ihr Verstand die Worte formuliert hatte, driftete sie schon wieder ab.
[home]
7
M arc nahm einen Schluck Kaffee – den ersten richtigen Kaffee seit beinahe sieben Jahren – und unterdrückte einen tiefen behaglichen Seufzer. Der Kaffee war schwarz, stark und köstlich.
Er trank noch einen Schluck. Die verschiedenen Frühstücksdüfte, die durch das Café zogen, ließen ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Er hatte ein »Spezial« bestellt – Eier, Pommes frites, Speck und Toast –, und die Vorfreude brachte ihn beinahe um. Hier arbeitete jemand, der den Umgang mit Messern auf einer Kochschule und nicht auf der Straße gelernt hatte, und bei der Aussicht, eine echte Mahlzeit zu sich zu nehmen, war alle Müdigkeit verflogen.
»Noch Kaffee?« Die Kellnerin, eine hübsche Frau mittleren Alters in Jeans und T-Shirt, auf das ein Marihuana-Blatt gedruckt war, hielt lächelnd eine Glaskanne hoch.
Er setzte seinen Becher ab und schob ihn ihr hin, dann erinnerte er sich an seine Manieren.
»Ja, bitte.«
Es war seltsam, dass jemand ihn fragte, was er wollte, dass man ihn anlächelte, dass man ihn wirklich wahrnahm. Er hatte fast vergessen, dass man auch nett sein konnte, ohne dafür bezahlt zu werden oder ein niederes Motiv zu haben.
Sie schenkte ihm nach, und in ihren Augen blitzte weibliches Interesse auf.
»Ich glaube nicht, dass ich Sie hier schon mal gesehen habe.«
»Oh, ich bin schon ein paar Mal hier durchgekommen. Meistens zur Jagd.«
»Wohnen Sie im Sundance? Brauchen Sie jemanden, der Ihnen ein bisschen die Gegend zeigt?«
Er hätte ihr Angebot nur allzu gerne angenommen. Er konnte wahrlich einen Quickie gebrauchen. Immerhin war es fast sieben Jahre her. Und obwohl sie wahrscheinlich gute zwanzig Jahre älter war als er, war sie noch sehr attraktiv. Aber er hatte leider keine Zeit. Und seine Sinne waren alle auf Sophie ausgerichtet.
Er schüttelte den Kopf.
»Ich habe heute Morgen schon ausgecheckt.«
Sie verbarg ihre Enttäuschung mit einem weiteren Lächeln, füllte seine Tasse bis zum Rand und kehrte dann, ein Liedchen summend, zur Theke zurück.
Die elf Meilen nach Nederland waren lang gewesen. Nachdem er Sophies Koordinaten durchgegeben hatte, war er im Schutz der Bäume neben dem Highway 119 Richtung Norden gegangen. Trotz Schneeschuhen war er extrem langsam vorangekommen, hatte manchmal fast kriechen müssen, doch er
Weitere Kostenlose Bücher