Sueß, naiv und intrigant
Reiß dich zusammen und klopf an, Buchanan , schalt er sich mit einem nachdrücklichen Kopfnicken. Also hob er die Hand und klopfte an die dunkle Eichentür, genau auf die Stelle direkt unter dem Greenpeace-Autoaufkleber.
Die Tür wurde sofort aufgerissen. Elizabeth, die so aussah, als würde sie sich gerade gut amüsieren, stand ihm gegenüber. Ihre locker sitzende Hüftjeans und das bauchfreie graue T-Shirt gaben den Blick auf einen winzigen Brillanten in ihrem Nabel frei. Ehe Brandon Zeit hatte, das Piercing gebührend zu bewundern, schlug Elizabeths Verwunderung in helle Freude um, und sie warf sich ihm so stürmisch um den Hals, dass Brandons Blumen fast zerdrückt wurden.
»Brandon!«, rief sie und gab ihm einen dicken, feuchten, leidenschaftlichen Kuss. Einen Zungenkuss, wie Brandon angetan feststellte. Na, das war ja schon besser. Als sie sich schließlich von ihm löste, fühlte sich Brandon etwas benommen. Warum hatte er so lange mit seinem Besuch bei ihr gewartet?
Da bemerkte er den Jungen, der auf ihrem Bett saß.
Elizabeth zog Brandon in ihr Zimmer, das sich als überraschend großes Einzelzimmer erwies. »Los, komm rein!«, forderte sie ihn begeistert auf. »Wie schön, dich zu sehen!« Dann schien ihr der andere Junge wieder einzufallen. »Ach so. Das ist Morgan. Wir haben zusammen gelernt.« Elizabeth sah Morgan mit hochgezogener Augenbraue an und er stand augenblicklich auf.
Brandon musterte den Kerl. Er trug ein T-Shirt aus Flanell zu einer Cordhose mit Löchern in den Knien und er hatte keine Schuhe an. Auch keine Socken. Allerdings nickte er Brandon höflich zu und schien nicht besonders unglücklich zu sein, dass er rausgeworfen wurde.
»Bis später«, verabschiedete er sich von ihnen beiden, dann verschwand er durch die Tür. Wo zum Teufel waren seine Schuhe? Brandon starrte irritiert auf den königsblauen Flickenteppich. Und wo waren die, äh, Schulbücher? Was hatten die beiden denn »gelernt«?
Ehe er sich näher mit diesen Fragen beschäftigen konnte, war Elizabeth schon an seiner Seite. »Die sind ja sagenhaft«, hauchte sie, schloss die Augen und roch an den Orchideen. »Die reinste Poesie.«
Brandon spürte, wie er rot wurde. »Schön, dass sie dir gefallen. Rosen fand ich zu gewöhnlich.« Er sah ihr zu, wie sie die Blumen aus dem Papier nahm und sie vorsichtig in eine halb mit Wasser gefüllte Nalgene-Trinkflasche stellte, die sie sich kurzerhand von ihrem Computer-Tisch schnappte. Na ja, so konnte man es natürlich auch machen.
»Du weißt schon, wie ich ticke, was?« Sie blickte ihn vielsagend an, ehe sie die zur Vase umfunktionierte Outdoor-Flasche auf ihrem erstaunlich aufgeräumten Schreibtisch platzierte. Rasch kehrte sie in Brandons Arme zurück und drückte die weichen Lippen auf seine Wange. »Danke«, murmelte sie heiser.
Brandon schloss für einen winzigen seligen Moment die Augen. »Äh, dein Zimmer – es gefällt mir.« Er ließ den Blick rasch durch den hohen Raum gleiten. Alles daran kam ihm sexy und typisch Elizabeth vor, von dem flachen iMac auf ihrem Schreibtisch über den mit tausend Post-its versehenen Stapel Gedichtbände auf ihrem Nachttisch bis hin zu dem dunkelblau-türkisfarbenen Wandbehang, der mit Heftzwecken an die Wand gebannt war. Die Pinnwand war gepflastert mit Fotos von ihr aus aller Welt. Elizabeth als Rucksacktourist in Europa, Elizabeth auf Safari in Afrika, selbst eines von ihr auf der Chinesischen Mauer war dabei. Und selbstverständlich entgingen Brandon auch nicht die vielen Partyfotos von Elizabeth und ihren Freunden – von denen die meisten männlichen Geschlechts waren. Hm, sie schien ja wirklich einen guten Draht zu Jungs zu haben.
Elizabeth legte die Handflächen auf Brandons Brust und drückte ihn mit einem undurchsichtigen Lächeln auf dem hübschen Gesicht hinunter auf die weiche Baumwolldecke auf ihrem Bett. »Wie süß von dir, den weiten Weg herzukommen.« Sie legte sich neben ihn und fing an, seine Brust zu streicheln. »Ich hab die ganze Woche an dich gedacht«, schnurrte sie. Ihr dunkelblondes Haar war mit diesen winzigen blauen Plastikspangen zurückgesteckt, wie Brandon sie vorher nur an kleinen Mädchen gesehen hatte, und ihre weitstehenden braunen Augen funkelten vor Vergnügen.
»Wirklich?« Brandon hatte das Gefühl, dass der andere Junge – wie hieß er doch gleich? Morgan? Was war denn das für ein weibischer Name? – vielleicht doch eine zu vernachlässigende Größe war. Immerhin hatte Elizabeth ihn, Brandon
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