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Sueß, naiv und intrigant

Sueß, naiv und intrigant

Titel: Sueß, naiv und intrigant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecily von Ziegesar
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Vom Kunstunterricht bin ich wie immer hin und weg. Unglaublich, die finden meine Sachen richtig gut! Heute haben wir eine neue Aufgabe bekommen, die ich morgen in Angriff nehme – mithilfe eines süßen Jungen, der mir Modell sitzt. (Schule ist doch was Feines!)
In Englisch lesen wir Zum Leuchtturm von Virginia Woolf. Dad, wie konntest du mich fünfzehn Jahre auf diesem Planeten leben lassen, ohne mir das in die Hand zu drücken?? =)
Du fehlst mir. Iss ein Muffin für mich mit bei Bernard’s (oder hast du schon?)!
 
Küsschen von deiner Lieblingstochter
Jenny

     
     
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 Gesendet: 
  Mittwoch, 9. Oktober, 21:45 Uhr 
 Betreff: 
  Werde Topmodel … 
… oder zumindest Model-Eule. Wenn du noch Lust hast, Teil meines Kunstprojekts zu werden, kommst du dann morgen zu einem Treffen in den Zeichensaal? Gegen halb sieben vielleicht oder Viertel vor?
Gib Laut. Bin gespannt, was für ein T-Shirt du diesmal trägst.
 
-Jenny;)

21
    Eine Waverly-Eule erweist sich stets als großzügige Siegerin – vor allem wenn sie getrickst hat
    Donnerstagmorgen wurde Tinsley in Marymounts Büro in Stanfield Hall gerufen. Es war ein riesiger Raum im ersten Stock mit großen Erkerfenstern, die einen fantastischen Blick auf den gesamten Campus boten und jetzt im Oktober auf die leuchtenden Farben des Herbstlaubs. Als Tinsley über den dunklen Mahagoniboden auf den abgetretenen türkischen Teppich trat, erhob sich Marymount von seinem abartig aufgeräumten Schreibtisch. Alles darauf war penibel angeordnet. Ein großer Papierkalender mit sorgfältig eingetragenen Terminen und Notizen füllte die Mitte. Darum waren Stifthalter, Schalen mit Heftklammern, ein Tesa-Abroller und ein Hefter in militärischer Formation aufgereiht, bereit, jedwede Arbeit sofort in Angriff zu nehmen. Selbst das silbern gerahmte Familienfoto gegenüber Marymounts Schreibtischstuhl war in einem Winkel aufgestellt, der den Gästen gerade noch einen Blick auf seine Kinder und seine engelsgleiche Frau gewährte, die eindeutig hübscher war als die unsägliche Angelica Pardee. Wie interessant . Tinsley schüttelte dem Dekan die Hand.
    »Miss Carmichael«, hob Marymount freundlich an, wenn auch ein wenig zu geschäftsmäßig. »Was kann ich heute für Sie tun?«
    Tinsley registrierte, dass er eine geblümte Krawatte trug, eine mit roten und pinkfarbenen Tulpen. Sein Assistent, Mr Topkins, der reichlich früh zur Glatzenbildung neigte, hatte eine mit gelben Margeriten getragen. Was für ein Gruselkabinett. Tinsley ließ sich artig in einem der antiken Sessel nieder, schlug die Beine übereinander und zog sittsam den Saum ihres armeegrünen Hemdblusenkleides über die Knie. Sie kam ohne Umschweife zur Sache. »Ich habe mit Mrs Feingold von der Stadtbücherei in Rhinecliff darüber gesprochen, Es geschah in einer Nacht für das nächste Treffen des Cineclubs auszuleihen.« So weit stimmte die Geschichte. Sie hatte tatsächlich eine Stunde damit zugebracht, sich von der älteren Dame ein Ohr abkauen zu lassen, wie »charmant« Clark Gable sei und wie ihre weiblichen Zeitgenossinnen damals allesamt über ihn »in Verzückung geraten« seien.
    »Ah!«, rief Marymount aus, lehnte sich im Stuhl zurück und klopfte sich mit den Fingern an die Schläfen. »Ausgezeichneter Film. Diese Claudette Colbert – ganz bezaubernd.«
    Tinsley nickte begeistert. »Ganz genau. Und Mrs Feingold erwähnte, dass die Bücherei ab und an ein Open-Air-Kino veranstaltet. Man ist dafür gut ausgerüstet und würde das Equipment bereitwillig an den Cineclub verleihen.« Marymounts Gesicht verzog sich während Tinsleys Worten entschieden, so sehr, dass es fast schon komisch wirkte – als habe er plötzlich in eine Zitrone gebissen.
    Tinsley übersah es geflissentlich und sprach unbeirrt weiter. »Angesichts dieser großartigen Möglichkeiten habe ich gehofft, von Ihnen die Erlaubnis für eine Sonderveranstaltung des Cineclubs außerhalb des Schulgeländes zu erhalten. Mrs Feingold war zudem so großzügig, ihre alte Scheune am Stadtrand als Veranstaltungsort anzubieten, deren Seitenwand, wie sie sagt, sehr geeignet ist für eine Projektion.« Dieser Teil war frei erfunden, und die arme Mrs Feingold wäre wahrscheinlich alles andere als »in Verzückung geraten«, wenn sie gewusst hätte, in welche Farce sie gerade eingebunden wurde. Aber Tinsley konnte dem Dekan ja

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