Sueß, naiv und intrigant
schlecht sagen, dass die Scheune dem Typen vom Schnapsladen gehörte.
Marymount schüttelte bedächtig und entschieden den Kopf. »Tut mir leid, aber eine solche Veranstaltung werde ich nicht genehmigen.« Er fuhr sich mit der Hand durch das strähnige farblose Haar und hüstelte. »Allein die rechtlichen Rahmenbedingungen …« Er schüttelte den Kopf jetzt etwas schneller, als sei die Idee so dermaßen lächerlich, dass er es gar nicht glauben konnte, von Tinsley überhaupt damit belästigt worden zu sein. »Insbesondere aber unter dem Gesichtspunkt der ganzen Vorfälle, die in den letzten Wochen aufgetreten sind.« Er sah sie streng über die Brillenränder hinweg an. »Es kommt schlichtweg nicht infrage.«
»Ich verstehe ja Ihre Bedenken, Sir«, erwiderte Tinsley höflich, beugte sich in dem Besuchersessel vor und senkte den Blick. Bei dem Gedanken an das, was sie Marymount gleich servieren würde, bebten ihre Knie ein klein wenig, doch ihre Stimme hatte sie fest im Griff. Den ganzen gestrigen Tag hatte sie diesem Treffen entgegengefiebert, und zwar genau haargenau diesem Moment. Wenn sie ausgesprochen hatte, was ihr auf der Zunge lag, gab es keinen Weg mehr zurück. Marymount würde sie bis in alle Ewigkeit hassen, wenn er das nicht ohnehin schon tat. Aber war es vielleicht fair gewesen, sie und Callie nach dem Boston-Ritz-Wochenende zu bestrafen, wo sie doch »nur« betrunken und halb nackt gewesen waren – während er völlig ungeschoren davonkam, obwohl er ganz eindeutig der viel schlimmere Missetäter war und seine liebe Frau mit der garstigen Pardee betrog? Tinsley war gezwungen worden, mit der unerträglichen Brett in ein Zimmer zu ziehen, aber sie hatte Marymounts Geheimnis dennoch nicht verraten. Da hatte sie doch wohl ein Anrecht auf einige, nun ja, geringfügige Vergünstigungen, nachdem sein Geheimnis so gut bei ihr aufgehoben war.
Bestärkt fuhr Tinsley fort. »Ich kenne die Regeln der Schule in Sachen externe Veranstaltungen, aber ich kann Ihnen versichern, dass dieses Event nichts mit dem Ausflug nach Boston gemein hätte.« Sie machte eine wohlüberlegte Pause und starrte auf ihre Stiefelspitzen, als sei sie völlig zerknirscht und würde ihn in Wirklichkeit gar nicht erpressen. »So etwas würde nie wieder vorkommen... Ich glaube, an jenem Wochenende waren wir alle ein bisschen von der Rolle und dachten nicht an die Konsequenzen unseres Handelns.«
Hopsala, da war es raus. Tinsley hatte sich überlegt, wie sie es am besten formulieren sollte. Schließlich war sie zu dem Schluss gekommen, es so zu verpacken, dass Marymount sich weder so erniedrigt noch beleidigt vorkommen musste, dass er sie womöglich auf der Stelle rausschmiss. Wenn sie es raffiniert genug anstellte, konnte sie ihm ein Hintertürchen offen lassen. Tief in seinem Herzens wusste der gute Dekan ja, was sie ihm mitteilen wollte. Und sie gestattete ihm, bei ihrem Spielchen mitzuspielen, statt sich offen erpresst zu fühlen. Erpresst von einer seiner schutzbefohlenen Schülerinnen. Schweigen hing in der Luft. Das Ticken der Standuhr und das Pochen ihres Herzens waren die einzigen Geräusche, die an Tinsleys Ohr drangen. Vielleicht würde Marymount ja doch ausrasten und sie von der Schule werfen? Das würde Tinsley in der Tat sogar etwas beeindrucken.
Nach ein paar wenig behaglichen Minuten beharrlichen Schweigens räusperte sich Marymount und Tinsley sah gespannt auf. Pure Unschuld lag in ihrem Blick und das sollte bitteschön auch so sein. Denk an Bambi , sagte sie sich, das hat nichts Schlimmes gemacht. Sie spürte, wie er sie forschend ansah und nach etwas suchte, was er aber nicht zu finden schien. Schließlich seufzte er tief. »Und wann wollten Sie dieses Event gerne abhalten?«
Tinsleys Herz machte einen Freudensatz. »Freitag, also morgen, wäre perfekt. Ich weiß, das mag etwas kurzfristig erscheinen, aber das Wetter soll herrlich werden, und es wäre doch wunderbar, wenn die Veranstaltung stattfände, ehe es zu herbstlich wird, nicht?«
Marymount holte erneut tief Luft und quetschte den Nasenrücken zwischen Daumen und Zeigefinger. Tinsley tat, als würde sie überhaupt nicht bemerken, was in ihm vorging, und trug eine angenehm überraschte und dankbare Miene zur Schau. Triumphgefühle konnte sie sich für später aufheben. Auch als Sieger sollte man schließlich immer höflich bleiben.
»Ich will nur, dass eines klar ist, Miss Carmichael.« Marymounts Blick auf das gerahmte Bild auf seinem Schreibtisch war Tinsleys
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