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Sueß, naiv und intrigant

Sueß, naiv und intrigant

Titel: Sueß, naiv und intrigant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecily von Ziegesar
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Mittwochabend stapfte Jenny die Treppe von Dumbarton hinauf. Sie hatte sich nach dem Abendessen in der Bibliothek vergraben und an dem Referat für ihren Kurs in europäischer Geschichte gebastelt. Jetzt, nach drei mörderischen Arbeitsstunden, war sie froh, wieder in ihr Zimmer zu kommen. Und endlich musste sie auch nicht mehr um Callie herumschleichen. Die Zeiten waren vorbei und das war ein ziemlich erhebendes Gefühl. Jenny versuchte, nicht zu arg daran zu denken, wie sehr ihr Easy fehlte. Sie hoffte einfach mal, dass sie diesen Kummer irgendwie beiseiteschieben konnte, bis er eines Tages kein Kummer mehr war, sondern nur noch eine wehmütige Erinnerung. Das mit ihm war kein Weltuntergang, hielt sie sich immer wieder vor Augen. Und es war auch nicht so, als würde sie ihn nie mehr wiedersehen. Vielleicht konnte sie trotzdem ab und zu mit ihm und Credo ausreiten? Und sie würde ja auch weiterhin mit ihm in Kunst sein, mit ihm reden, herumflachsen und das T-Shirt mit FOOD NOT BOMBS an ihm sehen. Sie könnte ihn nur nicht mehr … küssen.
    Vor Zimmer 303 blieb sie stehen und las die Nachricht, die mit rotem Marker auf ihr Täfelchen geschrieben war: Morgen Abend = 1. Kaffee 2. Lernen 3. Tratschen 4. Alles zusammen? Küsschen Brett. Brett war heute nicht im Hockey-Training gewesen, aber da sie Klassensprecherin der Elften war, musste sie nur irgendein wichtiges Treffen vorschieben, und die Smail gab ihr frei, ohne nachzufragen.
    Jenny öffnete leise die Tür zu ihrem Zimmer. Sie erwartete halb, Callie bereits schlafend im Bett zu finden. Aber zu ihrer Freude war ihre Mitbewohnerin noch wach. Genauer gesagt, sie stand in einem pinkfarbenen Tank-Top und weißen Mädchen-Boxershorts, die in der Taille umgekrempelt waren, vor ihrem völlig entleerten Kleiderschrank und starrte hinein. Ihre ganzen teuren Klamotten türmten sich in wackeligen Stapeln, die verdächtig einsturzgefährdet aussahen, auf dem dritten Bett im Raum.
    »Du mistest aus?«, stieß Jenny überrascht aus. Das Zimmer sah aus wie eine teure SoHo-Boutique, die gerade explodiert war.
    »Wie?« Callie blickte Jenny über ihre dürre Schulter an und blinzelte verwirrt. »Oh. Ja, so was in der Art... Es kam irgendwie über mich.« Callie ließ den Blick über die turmhohen Stapel gleiten, als könnte sie gar nicht sagen, wie die dahin gekommen waren. »Mir war wohl nicht klar, was für ein Kraftakt das wird.«
    »Warum lässt du es für heute nicht gut sein?«, schlug Jenny verlegen vor. »Morgen ist auch noch ein Tag.« Sie ließ ihre schwere Tasche auf den Boden fallen und sank auf ihr Bett. Wie herrlich war es zu wissen, dass sie sich gleich unter die alte Steppdecke ihres Vaters kuscheln konnte, die immer noch ein bisschen nach ihrem Apartment Ecke 99. Straße und West End Avenue roch.
    Callie biss sich auf die Lippe und befingerte den Ärmel einer durchsichtigen musselinartigen Bluse, die zuoberst auf einem der kippenden Stapel lag. »Aber das Zimmer ist eine Katastrophe!«, quengelte sie.
    »Wenn du damit leben kannst – mich stört es nicht.« Jenny stützte sich auf die Ellbogen und streifte ihre rosafarbenen Chuck Taylors ab. Mit einem dumpfen Klack-klack polterten sie auf den Parkettboden. »Sonst ist es ja auch nicht besonders aufgeräumt«, fügte sie mit einem Kichern hinzu. Obwohl sie nur noch zu zweit in dem geräumigen Zimmer wohnten, war es ständig vermüllt mit Pepsi- light -Flaschen (von Callie) und halb leeren Minitüten Doritos (von Jenny). Und allen Kram, den sie nicht täglich brauchten, deponierten sie neben Stapeln gewaschener Wäsche, Schulheften und alten Referaten auf dem dritten Schreibtisch. Sogar ein säuberlich gefalteter Wandbehang staubte dort vor sich, der weder Jenny noch Callie gehörte und eines Tages einfach aufgetaucht war.
    Callie raufte sich verzweifelt die Haare. Ihre Arme sahen so dünn aus wie Plastikstrohhalme, und Jenny hatte den dringenden Wunsch, ihrer Zimmergenossin notfalls mit Zwang einen Cheeseburger einzuverleiben. Vielleicht war Callie ja deshalb so neben der Kappe, weil sie am Verhungern war? Jenny wusste nicht so recht, was sie in der Angelegenheit unternehmen sollte. Die Pardee darauf ansprechen? Plötzlich fielen ihr die beiden Tootsie-Lollis ein, die sie sich in der Snackbar geholt hatte. Jenny kramte sie aus der Tasche ihres Waverly-Blazers und hielt sie Callie wie ein Friedensangebot hin.
    Callie lachte, und Jenny versuchte, sie per Willenskraft dazu zu bringen, einen zu nehmen.
    Callie kam auch

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