Sueß, naiv und intrigant
auf dem Wasserbett im Fond des Hummer gelegen hatten, hatte sie lediglich seine Schultern massiert, was sie zunehmend angetörnt hatte, je mehr er ihrem Charme widerstand. Gerade als sie zur Sache kommen wollte, fuhr der Hummer vor der Scheune vor, und Tinsley wünschte sich, sie hätte daran gedacht, den Fahrer anzuweisen, dass er einen Umweg nehmen sollte.
Nachdem sie alle Vorbereitungen für die Filmvorführung getroffen hatte, sah sich Tinsley um und stellte fest, dass Julian verschwunden war. Sie rubbelte sich die Arme, denn der Stoff ihres kurzen BCBG-Jäckchens aus Satin fühlte sich kalt auf ihrer Haut an. Hoffentlich war der Preis für so gutes Aussehen nicht der Tod durch Erfrieren! Während der nächsten Stunde hatte sie mehrfach die Menge abgesucht. Sie war von einer Gruppe zur anderen geschlendert, hatte mit Jungs geflirtet, die sie nicht die Bohne interessierten, und mit Mädchen Small Talk gemacht, die sie zu Tode langweilten, und sie hatte sich gefragt, wie weit Julian das Spielchen mit dem Rarmachen wohl noch treiben würde.
Schließlich wurde ihre freudige Erwartung von Verärgerung verdrängt und nach dem halben Film hatte sie die Schnauze voll von dem Katz-und-Maus-Spiel. Unvermittelt stand sie von dem Picknicktisch auf, von dem aus sie Parker DuBois, den sexy Zwölftklässler aus Belgien, beobachtet hatte. Er lag allein auf einer Decke, rauchte Nelkenzigaretten und sah sich doch tatsächlich den Film an. Tinsley war versucht hinüberzugehen und ihm ein wenig Gesellschaft zu leisten, aber dann wurde ihr klar, dass sie mit dieser Aktion nur Julian eifersüchtig machen wollte – und da der sich verdünnisiert hatte, schien es der Mühe ja wohl nicht wert.
Stattdessen schlenderte sie um die Scheune. Einen Augenblick erregte sie der Gedanke, dass er vielleicht da drinnen auf sie wartete. Vielleicht hatte er die ganze Zeit geplant, sie zu überraschen, und sie hatte blöderweise die Zeit verplempert, die sie viel aufregender zu zweit hätten nutzen können. Aber gerade als sie an dem dunklen, halb geöffneten Scheunentor stehen blieb, sah sie etwas weiter weg, neben dem Silo, eine Bewegung. Sie erkannte Julian, der dort im Dunkeln saß. Ha, endlich hatte sie ihn gefunden! Sie wollte schon voller Triumph nach ihm rufen, da machte sie eine zweite Entdeckung: Julian war nicht allein.
Und er war nicht nur nicht allein – sein Gesicht klebte an einem anderen!
Nur einem Idioten wäre entgangen, wie zärtlich Julians Hand das Mädchen streichelte. Wie in einem Kitschfilm! Junger Held berührt junge Heldin auf intime, liebevolle Weise, die dem Zuschauer keinen Zweifel an seinen Gefühlen für sie lässt. Einen Moment lang konnte Tinsley nur wie gelähmt hinstarren. Sie konnte sich quasi in einem bequemen Sessel eines Multiplex-Kinos sehen, wie sie diese Szene gegen Ende einer lausigen romantischen Komödie beobachtete. Ein kitschiger Song würde einsetzen. Abspann.
Plötzlich erwachte sie aus ihrer Starre. Unbändige, wild schäumende Wut kochte in ihr hoch. Was für ein Scheißspiel! Der Kerl, der seit einer Woche ihre Fantasie besetzt hatte, an den sie jede freie Sekunde gedacht hatte, der hockte da und verschlang mit Küssen eine andere? Wie konnte er es wagen!
Tinsleys Puls schnellte nochmals in die Höhe, als Julian sich von der anderen löste und sie deren Gesicht sehen konnte. Ihre Augen zoomten hinüber wie die Linse einer Kamera.
Jenny.
Da zerbrach etwas in ihr. Diese Jenny Humphrey glaubte wohl, sie könnte einfach in die Waverly-Akademie latschen mit ihren kotzgelben Wildleder-Ballerinas und der lächerlichen Stupsnase und diesen riesigen Möpsen und sich frei Schnauze jeden Typ krallen, egal mit wem der gerade liiert war! Erst hatte sie Callie Easy weggeschnappt, und jetzt hatte sie die Klauen in den einzigen Jungen geschlagen, an dem Tinsley wirklich etwas lag. Sogar im Mondlicht konnte Tinsley ihre geröteten Wangen sehen, die mit Sommersprossen gepflastert waren, und ihr lockiges Haar, in dem sie zigeunerartige Zöpfe trug. Es war zum Kotzen.
Ein Aufschrei stieg in Tinsleys Kehle hoch, aber sie fand irgendwie die Beherrschung, nicht lauthals loszubrüllen. Stattdessen ballte sie die Fäuste und bemerkte auf einmal, dass sie etwas in der rechten Hand hatte. Sie sah es an. Es war Julians Feuerzeug.
Geistesabwesend klappte sie es auf, den Blick auf Julian und Jenny gerichtet. Sie wusste, dass das Bild der beiden, wie sie sich küssten, ihr noch lange ins Gedächtnis eingebrannt bleiben
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