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Suess und ehrenvoll

Suess und ehrenvoll

Titel: Suess und ehrenvoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Avi Primor
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stützen müssten. »Wenn wir es hinausschieben, wird alles nur noch schlimmer«, sagte Karoline schließlich. »Komm, wir gehen in die Höhle des Löwen, und damit Schluss.«
    »Oder wir springen ins kalte Wasser wie die Flusspferde«, sagte Ludwig mit schiefem Lächeln.
    Um schneller ins Westend zu kommen, nahmen sie diesmal die Straßenbahn. Karolines Eltern waren ungehalten, weil sie so lange hatten warten müssen, ließen sich aber nichts anmerken. Sie küssten ihre Tochter und drückten Ludwig mit demonstrativer Herzlichkeit die Hand. Auf dem Tisch standen typische Frankfurter Leckereien wie Haddekuchen, Bethmännchen und Frankfurter Brenten, bunte Schnittchen mit verschiedenen Käse- und Schinkensorten, einheimischer Riesling und kalte Getränke. Karoline traute ihren Augen nicht. Einen solchen Empfang hatte sie nicht erwartet. Nachdem sie ein Jahr lang wegen der Beziehung zu Ludwig mit ihren Eltern auf Kriegsfußgestanden hatte, nachdem sie die letzten beiden Tage und vor allem Nächte mit ihrem Geliebten verbracht hatte, was dem Blutdruck ihrer Eltern sicher nicht gut bekommen war, wurde sie so herzlich zu Hause empfangen? Was hatte das zu bedeuten?
    Doch der Stimmungswechsel schien anzuhalten. Die Eltern unterhielten sich höchst angeregt mit Ludwig, beglückwünschten ihn mehrmals zu seinem Orden und bestürmten ihn mit Fragen über seine Fronterlebnisse.
    Ludwig, der sich zusehends entspannte, antwortete bereitwillig, und die Eltern schienen seinen Bericht mit größter Spannung zu verfolgen. Sie erzählten ihrerseits in allen Einzelheiten von dem schweren Leben an der Heimatfront, den steigenden Preisen, den Kriegsinvaliden, die man überall auf der Straße sah, und den vielen Familien, die um gefallene Soldaten trauerten. Doch sie erklärten feierlich, dass sich niemand beklage. »Wir halten durch«, sagten sie, »denn wir wissen, dass ihr im Feld durchhaltet. Ihr seid die Helden, die uns Mut machen.«
    Sie redeten und redeten, als sei ihr einziges Anliegen, eine herzliche Beziehung zu Ludwig herzustellen. Während Vater Schulzendorf auf ihn einredete, strich er beinahe liebevoll mit der Hand über das Eiserne Kreuz an seiner Brust, und Ludwig strahlte vor Genugtuung.
    Auf dem Rückweg in die Kaiserhofstraße war Ludwig im siebten Himmel. Endlich hatte er die Eltern seiner Liebsten für sich gewonnen! Kein Zweifel: Das hatten die Uniform, das Eiserne Kreuz und sein Frontdienst in der vordersten Linie bewirkt. Jude oder nicht, er war ein deutscher Soldat! Sogar das »unschickliche« Betragen der Liebenden, die unverheiratet und gegen den Willen der Eltern ihre Nächte miteinander verbrachten, fiel dabei nicht mehr ins Gewicht. Er wurde in die Familie aufgenommen! Damit nicht genug: Das Ehepaar Schulzendorf hatte die Einladung zu dem festlichen Abendessen bei seinen Eltern angenommen. Er war am Ziel!
    Karoline sah ihn im Gehen von der Seite an. Er redete in Gedanken mit sich selbst und schien außer sich vor Glück. Ab und zu blieb er stehen, küsste sie stürmisch und hing dann weiter seinen Träumen nach. Sie beschloss, ihn nicht aus seinen Illusionen zu reißen. Ihr nämlich war im Laufe des Gesprächs klar geworden, welche Absicht ihre Eltern verfolgten: Ihr Redefluss sollte verhindern, dass außer dem Krieg andere Dinge zur Sprache kamen. Mit ihrer überströmenden Freundlichkeit hofften sie, von dem Thema der gegenwärtigen und vor allem der künftigen Beziehung zwischen ihrer Tochter und Ludwig abzulenken.
    Sie fühlte einen Stich im Herzen. Ihre Eltern waren zu allem bereit, wenn nur das Wichtigste, das allen vier Anwesenden auf der Seele brannte, nicht gesagt wurde. Sie wollten, dass Ludwig an die Front zurückkehrte, ohne Probleme zu machen und einen Bruch zwischen ihnen und ihrer Tochter herbeizuführen. Wenn er erst wieder weg war, würden sie die Widerspenstige schon zähmen und zurück auf den richtigen Weg führen. Außerdem wusste man ja auch gar nicht, ob Ludwig den Krieg überleben würde. Wenn er nicht zurückkam, gab es erst recht keinen Grund, die Krise mit der Tochter auf die Spitze zu treiben.
    ›Was nützt es, wenn ich versuche, ihm die Tatsachen des Lebens zu erklären?‹, dachte sie. ›Entweder glaubt er mir nicht und wirft mir wieder einmal vor, ich sei eine Schwarzseherin, oder ich überzeuge ihn und verderbe ihm den Urlaub. Schlimmer noch: Er kehrt todunglücklich an die Front zurück. Wozu ihm das Herz schwer machen? Das Problem muss ich sowieso alleine lösen. Nach seinem

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