Suess und ehrenvoll
Hocker standen eine Flasche Weißwein und ein paar staubige Gläser. Louis fiel auf, dass der Fußboden aus gestampftem Lehm bestand. ›Wenn man ihn anfeuchten würde, wäre es hier nicht so staubig‹, dachte er. Im nächsten Moment wunderte er sich über sich selbst. Was für ein schrecklicher Ort! Sein einziger Gedanke war, wie er sich möglichst schnell davonstehlen könnte. Doch Gérard, der inzwischen die Hälfte des Geldes bezahlt hatte, hielt Louis am Ärmel zurück und schob ihn zu einem großen Vorhang. »Geh rein«, sagte er, »sie wartet auf dich.«
»Nein!« Louis versuchte vergeblich, seiner Stimme einen energischen Klang zu verleihen. »Geh du zuerst!«
Gérard zögerte, doch dann gab er nach und verschwand hinter dem Vorhang. ›Inzwischen wird sich unser Unschuldslamm schon eines Besseren besinnen‹, dachte er.
Die Alte winkte Louis, er solle sich neben sie setzen, doch er blieb stehen. Sie bot ihm Wein an, er lehnte ab. Da die Alte an seltsame Kunden gewöhnt war, die zum Teil von der Zeit an der Front traumatisiert waren, beachtete sie Louis nicht weiter, zog Spielkarten hervor und legte eine Patience, wobei sie, immer mit der Pfeife im Mundwinkel, Unverständliches vor sich hin brabbelte.
Louis hatte das Gefühl, die Zeit wäre stehen geblieben. Gérard kam und kam nicht zurück. Er überlegte, ob er es nicht doch wagen sollte, aufs Rad zu springen und allein zum Bunker zurückzufahren, doch er traute sich nicht. Gérards Warnung, dass er den Deutschen in die Hände fallen könnte, hatte ihre Wirkung nicht verfehlt.
Endlich wurde der Vorhang zurückgeschlagen. Gérard erschien mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen. Er reichte der Alten einen weiteren Geldschein und drängte Louis mit Gewalt hinter den Vorhang. Ohne so recht zu wissen, wie ihm geschah, ging Louis wie hypnotisiert mit klopfendem Herzen durch einen langen, schwach beleuchteten Gang, der zu einem weiteren Vorhang führte. Dort blieb er zögernd stehen, bis er eine Frauenstimme vernahm: »Hier bin ich, komm rein.« Louis stolperte vor Aufregung, doch er zog den Vorhang beiseite.
In dem erstaunlich geräumigen Zimmer standen einige hölzerne Wandschirme mit Dekorationen, die Louis nicht zu deuten wusste. Dazwischen brannte eine rote Lampe, und auf dem Boden, der auch hier aus gestampftem Lehm bestand, waren ein Dutzend brennende Kerzen angeordnet. Hinter der roten Lampe posierte eine Frau mit üppigen nackten Brüsten und einem Rock, der von der Taille bis auf die Füße herabwallte.
Im Nachhinein konnte sich Louis an die Frau kaum noch erinnern. Als sie vor ihm stand, war er erregt, aber zu verschreckt, um sie näher zu betrachten. Er erinnerte sich nur an ihre riesigen Brüste, ihr hüftlanges blondes Haar und ihr breites Becken. Da er sich nicht von der Stelle rührte, ging sie auf ihn zu und griff ihm zwischen die Beine, doch er zuckte zurück. Daraufhin führte sie ihn kurzerhand zu einem der Wandschirme. Dahinter stand, ebenfalls von brennenden Kerzen umkränzt, ein Doppelbett mit einem Baldachin aus roter Seide.
»Zieh dich aus!«, befahl sie, doch er blieb stehen. Sie begann, ihn auszuziehen, und er sträubte sich nicht. Als er nackt vor ihr stand, griff sie wieder nach seinem Glied, doch es reagierte nicht auf die Berührung. Die Frau sah ein, dass ihre Bemühungen zwecklos waren, legte sich aufs Bett, zog den Rock hoch und spreizte die Beine. Dann tauchte sie eine Hand in eine Schale mit einem Desinfektionsmittel und führte es in ihre Vagina ein. Louis verfolgte wie gebannt die Bewegungen ihrer Finger, die durch das dicke blonde Schamhaar hindurch in den rötlich klaffenden Spalt eindrangen.
Im nächsten Augenblick sprang er wie von einer Schlange gebissen zurück, zog sich in fliegender Hast an, stieß den Wandschirm beiseite und rannte durch den langen, düsteren Gang zu dem Vorhang, durch den er eingetreten war. Er stürzte in denRaum, wo Gérard sich angeregt mit der kichernden, paffenden Alten unterhielt, packte seinen Freund beim Arm und stieß atemlos hervor: »Nichts wie weg hier!«
Gérard widersetzte sich nicht, warf der Alten eine Kusshand zu und folgte Louis nach draußen. Als sie auf die Räder stiegen, fragte er grinsend: »Hat es Spaß gemacht?«
»Das geht dich nichts an!«, fauchte Louis.
»Na, immerhin hast du deine Unschuld verloren.«
Mitte März steigerten die Franzosen ihre Angriffe auf die deutschen Stellungen. Bei einem der Sturmangriffe kämpfte Louis’ Kompanie in vorderster
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