Süß wie die Sünde: Roman (German Edition)
ernst.
Als sich ihre Blicke begegneten, errötete Marissa, weil ihr einfiel, was er bereits über sie wusste. »Mr Bertrand«, murmelte sie.
Er lächelte. Wenigstens war sein Lächeln trotz des vulgär breiten Mundes angenehm. »Haben Sie sich entschieden, ob ich Sie zum Frühstück begleiten darf?«
Die Frage war zweifellos eine Anspielung auf ihre vorherige Unverschämtheit. Ob ich Sie begleiten darf . Eigentlich fragte er nicht nach dem Frühstück, sondern gemeint war, ob sie ihn am Ende des Monats heiraten würde. Ob er vorgeben durfte, ihr Verehrer zu sein. Und das nur, weil sie letzte Nacht ihre Unschuld auf der Couch im Nähzimmer verloren hatte. Ihre Wangen glühten. »Natürlich, Mr Bertrand. Es wäre mir eine Ehre.«
Er nickte, und sie sah an seinem Mund, dass er ihre Antwort amüsant fand.
»Es ist ein bisschen viel«, erklärte sie. Was der Wahrheit entsprach, auch wenn ihr Unbehagen in der Hauptsache daher rührte, dass sie sich nicht vorstellen konnte, einen Mann wie ihn zu heiraten. Sie mochte hübsche, elegante, vornehme Herren. Jude Bertrand war …
Marissa brachte es nicht übers Herz, ihn hässlich zu nennen; immerhin behandelte er sie sehr fair. Aber sein Gesicht war breit und sah wie aus Stein gemeißelt aus, und die Nase hatte einen kleinen Knick von einem alten Bruch, als wäre der Meißel des Bildhauers abgerutscht. Seine Wangenknochen waren hoch, und der Winkel seiner Augenbrauen verlieh seinen Zügen etwas Bedrohliches. Das und seine große Statur …
Als er auf sie zukam, wagte Marissa einen verstohlenen Blick zu seinen Schenkeln. Die Muskeln zeichneten sich geradezu liederlich deutlich durch die Hose ab. Der Mann war für das Schlachtfeld oder eine Schiffswerft gemacht, nicht für den Ballsaal.
Und dann nahm sie, sowie er ihr seinen Arm anbot, einen Hauch von Würze in seinem Duft wahr.
Sein Arm fühlte sich zu hart an, eher wie ein Treppengeländer als wie ein männliches Körperteil. Vielleicht fände sie seine Stärke beruhigend, käme ihm die Aufgabe zu, für sie zu sorgen und sie zu beschützen. Aber er war ein Fremder, deshalb empfand sie nichts als eine vage Furcht und legte ihre Finger nur leicht auf seinen Unterarm.
»Ich bitte um Entschuldigung«, murmelte sie, als er sie in den Frühstückssalon führte. »Es tut mir leid, dass ich Sie nicht wiedererkannte.«
»Sie müssen sich nicht entschuldigen. Ich hatte nicht erwartet, Ihre Aufmerksamkeit zu erregen.«
Marissa blickte sich im Zimmer um, stellte fest, dass ein Gast ging und nur noch ein anderer, ihre alte Großtante Ophelia, blieb. Marissa beugte sich etwas näher zu Mr Bertrand vor. »Ich verstehe nicht, warum Sie das tun.«
»Haben Sie denn keinen Hunger?«
»Ich meine nicht das Frühstück«, erwiderte sie mit einer ungeduldigen Handbewegung und senkte die Stimme. »Warum erklären Sie sich freiwillig bereit, mir den Hof zu machen?«
Er blieb stehen und drehte sich ihr zu. »Weil ich Sie mag.«
»Eben haben Sie selbst gesagt, dass Sie mich gar nicht kennen!«
»Nein, Miss York, ich sagte, dass Sie mich nicht kannten. Aber ich mochte Sie schon von dem Moment an, als ich Sie zum ersten Mal gesehen habe.«
Erschrocken wich Marissa ein Stück zurück. Wieder umspielte dieses halbe Lächeln seine Lippen, als wüsste er ein Geheimnis über sie. Nun, das tat er ja auch. »Sie haben mich nie zum Tanz aufgefordert.«
»Hätten Sie mit mir getanzt?«
Nein. Sie hätte sich gewiss eine Ausrede einfallen lassen, nicht mit ihm zu tanzen, und dass sie ein schlechtes Gewissen bekam, ärgerte sie. »Demnach waren Sie zu feige, mich aufzufordern, weil Sie ein Nein fürchteten?«
»Im Gegenteil. Ich war so mutig, mich nicht in Ihre offensichtliche Vorliebe für elegante junge Herren einzumischen.«
»Meine …« Marissa starrte ihn entgeistert an. Meinte er etwa, dass er ihr kleines Geheimnis gelüftet hatte? Nein, er bezog sich lediglich darauf, dass sie gern mit eleganten Herren tanzte.
Als sie gerade den Mund wieder schloss, zwinkerte Mr Bertrand und wies zur Anrichte. »Wollen wir frühstücken, Miss York?«
Sie bejahte, denn es war ihr nur recht, ein wenig Zeit zu haben, um über diese seltsame Unterhaltung nachzudenken. Ihre Erleichterung verpuffte jedoch sogleich, als er einen Teller nahm und ihr bedeutete, dass er ihr auflegen wollte.
Er zeigte seine besten Manieren, wie es schien, und beabsichtigte, ihr das Frühstück zu servieren. Eine reizende Idee, nur leider waren die Herren immer schrecklich
Weitere Kostenlose Bücher